Des Kaisers neuer Tunnel - ein Märchen (von Brigitte Comploj)
Es war einmal ein Kaiser, der ganz wild darauf war, mit den 7 Zwergen 2 große Löcher unter den 7 Bergen zu bohren, vorbei an den 7 Meeren. Ein Loch zum Hineinfahren und ein Loch zum Wieder-Hinausfahren. Es sollte ein Riesentunnel werden, das 8. Weltwunder sozusagen, ein Megaprojekt, kurz, ein megageiles Bauwerk. Dass die bisherigen 7 Weltwunder ohne sein und der 7 Zwerge Zutun entstanden waren, hatte ihn nämlich schon lange mächtig gewurmt. Aber jetzt sah er die einmalige Chance gekommen, mit diesen 2 Löchern unter den Bergen unter seinem Namen in die Weltgeschichte, in das Buch der Rekorde und auch in alle Enzyklopädien einzugehen, für immer, versteht sich.
Und wozu gab es schließlich die Geldesel, die ein mächtiger Verein, EU genannt, fleißig fütterte, auf dass die güldenen Dukaten aus deren adipösen Hintern unaufhaltsam den Weg in die vielen stets flehentlich ausgestreckten Hände der Subventions-Hoffenden nehmen konnten – und sei es auch nur für 2 Löcher.
Der Kaiser und seine willfährigen Adlaten waren ob dieser Löcher-Idee so hin und weg, ja, geradezu verzückt, dass sie im Eifer des Gefechts vergaßen, die Untertanen, das gemeine Volk zu befragen.
Außerdem waren sie fest davon überzeugt, nur sie allein hätten die Klugheit mit Löffeln gegessen und das gäbe ihnen die Macht und die Herrlichkeit – in Ewigkeit, Amen!
Aber weit gefehlt! Inzwischen grummelte das besagte Volk heftig, es war nicht mehr so dumm, wie der Kaiser und seine Hofschranzen meinten. D i e Zeiten waren inzwischen vorbei, nur gemerkt hatte es der Kaiser noch nicht. Mit dem Kampfruf „Diktatur war gestern, Demokratie ist heute!“, stürzte sich sein aufmüpfiges Volk ins Protest-Getümmel, die 2 Löcher betreffend.
Dem Kaiser und seinem Hofstaat blieb vor Erstaunen die Spucke weg und sie schnappten nach Luft. „Da hilft nur eins“, sagte der Kaiser daraufhin, „gehet in alle Städte und Kuhdörfer mit meinen Hofnarren, Märchenerzählern und Sterndeutern, auf dass diese das Volk in Tag- und wenn es sein muß – auch in Nachtschichten fleißig zum Narren halten, ihnen Märchen über diese 2 Löcher erzählen und ihnen eine rosige Tunnel-Zukunft voraussagen.
Während nun Hofnarren, Märchenerzähler und Sterndeuter taten, wie ihnen befohlen ward, buddelten die 7 Zwerge unter den 7 Bergen, vorbei an den 7 Meeren, unermüdlich im kaiserlichen Auftrag und in der Hoffnung auf weitere gute Verdauung der EU-Geldesel, an besagten Löchern, nicht ohne sich vorher, mit albernen Sandschäufelchen, Sandeimerchen und geschmückt mit putzigen gelben Plastikhelmchen werbewirksam fotografieren zu lassen nach dem Motto: „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt!“
Über 25 Jahre danach schaufelten die 7 Zwerge immer noch. Wasserquellen waren versiegt, Staub (ein Wüstensandsturm war nichts dagegen) und Lärm allenthalben, das Land glich einer Mondlandschaft. Touristen hatten schon längst panikartig die Flucht ergriffen und die Noch-Ahnungslosen legten beim Anblick dieser Wüstenei schleunigst den Rückwärtsgang ein. Die paar Einheimischen, die Atemnot, Allergien, Herz- und Kreislaufkrankheiten, Bronchial- und Lungenkrebs noch nicht total umgehauen hatten, liefen nur noch mit Mundschutz und Lärmschutzapparaten orientierungslos in der Gegend umher, ringsum nur noch Tristesse und Ödnis.
Aber dem Kaiser überbrachten die reitenden Boten all die Jahre nur die tröstliche Nachricht: „Euer Majetstät, alles paletti, die Buddelei läuft wie geschmiert“. Und der Herrscher glaubte ihnen. Doch, als diese eines Tages, im fernen 30. Baujahr, ihm von der unmittelbar bevorstehenden Vollendung des 8. Weltwunders vorschwärmten, machte sich der Kaiser, ganz happy von der frohen Kunde, eines Tages samt seinem Hofstaat selbst auf die Socken, um endlich seines Triumphes ob dieses epochalen Bauwerkes teilhaftig zu werden. Auch die kaiserliche Küchenbrigade war dabei, hatte man doch zu diesem Anlaß ein opulentes Picknick vor den 2 Löchern geplant, mit Vorspeise, Hauptspeise und Nachspeise natürlich. Sozusagen ein „Arbeitsessen“.
Ein sorgsam ausgewähltes (nach der inoffiziellen Terroristenkartei des kaiserlichen Geheimdienstes) Volk – daher war es nur spärlich vorhanden – schwenkte kaiserliche Fähnchen, auf denen man so etwas wie einen gerupften Gigger erkennen konnte. Der Kaiser schritt würdevoll die Ehrenformation ab, nur die Schützen fehlten, denn die waren schon von Anfang an gegen diese 2 Löcher gewesen.
Dann klatschte der kaiserliche Zeremonienmeister Eugen Barro(so)(van)Miert (!) gebieterisch in die Hände und ab ging’s zur Inspektion in das 1. Loch: Dort empfingen den Kaiser die Ingenieure, die Geometer und die Techniker, zeigten beflissen um sich, vor sich, neben sich, hinter sich und sagten zum Kaiser: „Euer Majestät! Sehen Sie nur dieses elegante lärmschutzsichere Schienennetz, die klimahaustechnische Verkleidung der Tunnelwände, die energiesparenden Deckenbeleuchtungen und die biogasbetriebene Kühlung, Erwärmung und Entlüftung. Ist das hier nicht alles prächtig?“ Aber die Hofschranzen, das wenige Volk, der Kaiser, sahen von all dem Gepriesenen nichts als nur ein finsteres Loch. Der Kaiser dachte entsetzt: „Ist das möglich? Ich sehe ja gar nichts von dem, das mir diese Ingenieure usw. so anpreisen. Das ist schrecklich, bin ich etwa blind oder so dumm?“
Da er aber beides nicht sein wollte, sagte er zu den Tunnelbauern: „Aber ja, das ist alles ausgezeichnet, es ist vortrefflich, es hat meinen höchsten Beifall. Es ist sehr schön, es hat mich sehr gefreut“. Daraufhin plapperte auch sein Gefolge dieses Lob des Kaisers nach, da auch es sich nicht wegen einer eventuellen Blindheit oder gar Dummheit blamieren wollte. Da sah der eine dies, der andere sah plötzlich jenes und tat es mit begeisterten Zurufen kund.
Eine Welle der Zustimmung und Begeisterung durchströmte das 1. Loch. Dennoch: Es war nichts zu sehen, rein gar nichts, nicht die Bohne. Es war nichts da von dem so hoch gelobten Inventar. Es gab nur dieses finstere staubige Loch, an denen nun schon an die 30 Jahre gebuddelt, gebohrt und gebaggert worden war. Und das 2. Loch, das für das Hinausfahren, das gab es noch immer nicht.
Aber plötzlich, als der Kaiser und die anderen noch immer so taten, als hätte man ihnen den Eingang zum Paradies gezeigt, rieselten im 1. Loch Sand und Erde, zuerst kaum bemerkbar, dann in immer schnellerem Tempo und in immer größeren Mengen, es gab nun auch bereits kleinere Felsbrocken darunter, von oben herab. Dem Zeremonienmeister des Herrschers schwante auf einmal Schlimmes. Er schrie: „Raus hier, raus, dalli, dalli!“ Und jeder, der Kaiser vorneweg, spurtete nach draußen, dorthin, wo es hell war.
Schon stürzte hinter ihnen mit Riesengetöse- und gerumple und in eine mächtige Staubwolke gehüllt, das geplante 8. Weltwunder, das kaiserliche Jahrhundertwerk, wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Die Feuerwehr verschickte Kaiser samt Hofstaat sowie die Ingenieure, Geometer und Techniker schleunigst dorthin, wo bekanntlich der Pfeffer wächst, sie wurden nie mehr gesehen, aber es vermisste sie auch keiner. Tiefes Schweigen senkte sich fortan auf diese Wüstenei.
Die Geldesel der EU hatten inzwischen nach dieser Katastrophe das Zeitliche gesegnet, nachdem sie vorher plötzlich an starker Verstopfung gelitten hatten. Nur ein Küchenschaberich, der während der kaiserlichen Inspektion im 1. Loch ahnungsvoll unter die Haube des Küchenmeisters geflüchtet war, die dieser auf der Flucht verloren hatte, krabbelte auf der Suche nach einer smarten Küchenschabe einsam und verlassen auf diesem geschichtsträchtigen Sand-, Erd- und Steinhaufen umher. Das war nur noch die einzige Bewegung dort, sonst bewegte sich nichts mehr. Gott sei Dank!
Brigitte Comploj
08.06.2007