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Reiches Deutschland? Es fragt sich nur für wen. Jedenfalls gibt es
in Deutschland Millionen, die mit Niedriglöhnen, Niedrigrenten, die mit
Hartz IV, Leiharbeit, Werkverträgen mehr schlecht als recht über die
Runden kommen. Die Altersarmut ist mit diesem Rentenniveau so sicher wie
das Amen im Gebet. Es darf auch nicht sein, dass jemand trotz
Vollzeitarbeit nicht genug zum Leben hat und auf Sozialhilfe angewiesen
ist. Das ist ein Armutszeugnis für die deutsche Politik, vor allem für
die Sozialpolitik. Es kann ja nicht sein, dass alte Leute bis zum hohen
Alter weiterarbeiten müssen, weil die Rente zum leben nicht reicht.
Sofern sie überhaupt gesundheitlich dazu in der Lage sind. In Österreich
oder auch in Italien bekommt jemand mit vergleichbaren Bedingungen eine
wesentlich höhere Rente. Was ich nicht verstehe, dass deutsche
Lohnempfänger nicht dagegen opponieren. Ein Leben lang arbeiten und dann
mit einer Minirente sein Dasein fristen müssen… vielleicht sinkt ja
dann auch wieder das Lebensalter, und es wird wieder billiger für den
Staat.
Hier ein Artikel aus der ZEIT
Altersvorsorge: Ein Drama bahnt sich an
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Millionen Niedriglöhner können es sich nicht
leisten, fürs Alter vorzusorgen. Ihnen droht ein Ruhestand in Armut. Und
das gesetzliche Rentenniveau soll noch weiter sinken.
Das Prinzip ist einfach: Wer nicht
viel in die Rentenkasse einzahlt, bekommt auch nicht viel heraus. Aber
ist es auch gerecht? Einer Verkäuferin, die 30 Jahre lang 30 Stunden in
der Woche arbeitet, acht Euro pro Stunde verdient und von diesem Gehalt
ihre gesetzlichen Rentenbeiträge zahlt, bleiben laut der Gewerkschaft
ver.di im Alter bestenfalls 300 Euro im Monat zum Leben.
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Millionen Menschen in Deutschland,
die häufig ihr Leben lang arbeiten, können sich nicht darauf verlassen,
im Alter abgesichert zu sein.
Zum Beispiel Petra T.* Sie ist
Kinderpflegerin in einer Münchner Kindertagesstätte. Sie ist fest
angestellt, arbeitet Vollzeit und verdient 2200 Euro brutto im Monat.
Früher hat die 46-Jährige als Altenpflegerin gearbeitet, das war etwas
besser bezahlt, doch diese Tätigkeit musste sie aus gesundheitlichen
Gründen aufgeben. Um ihren 19-jährigen Sohn beim Studium unterstützen zu
können, jobbt Petra T. zusätzlich an manchen Wochenenden und Feiertagen
bei einer Zeitarbeitsfirma und verdient sich in verschiedenen
Pflegeheimen ein paar Hundert Euro dazu. Angenommen Petra T. zahlt 35
Jahre lang von ihrem heutigen Gehalt in die gesetzliche Rentenkasse ein,
bekommt sie im Alter im besten Fall 800 Euro heraus.
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Auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist
eine Parallelwelt entstanden, in der eine Vollzeitstelle keine Garantie
mehr dafür ist, im Alter abgesichert zu sein. „Die gesetzliche
Altersvorsorge bröckelt“, sagt Dorothea Voss von der gewerkschaftsnahen
Hans-Böckler-Stiftung. Es ist ein Problem, das alle Lohnklassen
betrifft, aber für Menschen mit niedrigem Einkommen unlösbar geworden
ist. Sie haben kein oder fast kein
Geld übrig, um privat vorzusorgen, in der vagen Hoffnung, dass die
Kapitalmärkte ihnen bis zum Alter ein ausreichend großes Sümmchen
erwirtschaften werden, um ihre Vorsorgelücke zu schließen.
„Niedriglohnempfänger können die
fehlenden Beträge nicht kompensieren“, sagt Voss. Das bedeutet, dass der
Austräger von Werbeprospekten im Minijob, die Krankenschwester oder der
Aushilfskellner in Teilzeit, aber auch eine Vollzeitkraft wie Petra T.
zwar so viel verdienen, dass es ihnen zum Leben gerade reicht. Aber eben
nur in der Gegenwart, nicht in der Zukunft.
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Immer
mehr Menschen werden im Ruhestand also nicht mehr für sich selbst
sorgen können. Nahezu jeder fünfte erwerbstätige Deutsche – rund 8,1
Millionen Menschen – arbeitet heute im sogenannten Niedriglohnsektor.
Das sind 1,2 Millionen mehr als noch vor zehn Jahren.
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Diese
Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt war einst politisch gewollt. Auch heute
noch betont Heinrich Alt, Mitglied im Vorstand der Bundesagentur für
Arbeit, welch wichtige Rolle der Niedriglohnsektor bei der Integration
von Arbeitslosen spiele und dass die Flexibilisierung auf dem
Arbeitsmarkt die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft steigere.
Doch
ein Teil der Zeche für den Anschub auf dem Arbeitsmarkt muss nun aus der
Rentenkasse gezahlt werden. Nach einem Jahrzehnt wird deutlich: Nicht
nur die ersten beiden Säulen der Altersvorsorge – gesetzlich und privat –
tragen im Niedriglohnbereich nicht, auch betrieblich ist in diesen
Lohngruppen nichts zu holen: „Oftmals haben sie nicht genügend
Einkommen, um über eine betriebliche Altersversorgung etwas für das
Alter zurückzulegen“, sagt Voss von der Hans-Böckler-Stiftung.
Bereits vor elf Jahren hat der
Gesetzgeber deshalb die Grundsicherung im Alter eingeführt. Sie soll
Rentnern ein existenzsicherndes Auskommen garantieren und beträgt
zwischen 630 Euro in östlichen Bundesländern und 780 Euro beispielsweise
in Hamburg.
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Der Haken an der Sache: Wer trotz
klammer Haushaltskasse ein paar Euro in eine private Vorsorge steckt, um
so die magere gesetzliche Rente aufzubessern, dem wird dieses
Zusatzeinkommen von der Grundsicherung wieder abgezogen. Er bekommt
nicht mehr heraus als jemand, der nicht zusätzlich privat vorgesorgt
hat. „Auf die Grundsicherung im Alter wird das gesamte Einkommen, also
auch sämtliche Rentenansprüche, angerechnet, auch die Riester-Rente“,
erläutert Evelyn Räder, Expertin für Arbeitsmarkt- und
Beschäftigungspolitik bei ver.di.
Die Gewerkschaft hat ein eigenes
Modell vorgeschlagen, wie die zu niedrigen Renten bezuschusst werden
könnten. Dabei wird nicht jegliche eigene Vorsorge auf die
Grundsicherung angerechnet, sondern erst eine Zusatzrente ab einer
bestimmten Höhe – „sodass es sich für bestimmte Beschäftigte auch lohnt,
zusätzliche Anwartschaften aufzubauen“, sagt Räder.
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Außerdem
protestiert die Gewerkschaft dagegen, dass das gesetzliche Rentenniveau
in den nächsten Jahrzehnten schrittweise immer weiter abgesenkt werden
soll. Die Sozialverbände schlagen darum schon lange Alarm. Die von
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen vorgeschlagene Zuschussrente,
finanziert aus einem noch unklaren Mix aus Rentenkasse und Steuertöpfen,
war schnell wieder vom Tisch. Sie hätte zunächst 30,
von 2023 an dann 35 Beitragsjahre und von 2019 an eine zusätzliche
betriebliche oder private Vorsorge vorausgesetzt. Die Kritik: Eine
solche Zuschussrente hätte den Geringverdienern zwar eine gewisse
Sicherheit im Alter versprochen, aber das Finanzierungsrisiko nur in die
Zukunft verschoben. Gleichzeitig opponierten die Gewerkschaften: Die
Beitragsjahre, die die Voraussetzung für eine solche Rentenaufbesserung
gewesen wären, seien „für viele wegen Erziehungszeiten oder
Arbeitslosigkeit kaum zu erreichen“ gewesen, sagt ver.di-Vertreterin
Evelyn Räder.
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Für ver.di gibt es einen Königsweg
aus der Vorsorgefalle für Geringverdiener: die Stabilisierung des
Arbeitsmarkts und die Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro oder
mehr. Auch Dorothea Voss von derHans-Böckler-Stiftungkämpft
für einen Mindestlohn und die breite Anwendung von Tarifverträgen. So
könnten sich mehr Menschen ausreichend sozial absichern. Aber auch sie
findet, dass das gesetzliche Rentenniveau zu niedrig und damit ein Teil
des Problems sei. So groß das Problem auch ist, so wenig
drängend scheint es in der politischen Diskussion. Schließlich spielt
das Drama in der Zukunft und damit im aktuellen Wahlkampf allenfalls
eine untergeordnete Rolle.
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Petra T. jedenfalls hat verstanden:
„Auf den Staat allein kann ich mich nicht verlassen.“ Und weil ihr die
Aussicht auf die Höhe ihrer gesetzlichen Rente Sorge bereitet, zahlt die
alleinerziehende Mutter nun jeden Monat 25 Euro extra in eine private
Vorsorge ein. Mehr kann sie sich nicht leisten. Darüber, dass das im
Ruhestand wahrscheinlich keinen Unterschied macht, denkt sie lieber
nicht nach.
*Name geändert
Von
Gudrun Weitzenbürger
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Gruß Hubert
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