Dienstag, 31. Mai 2016

AfD-Vize Gauland über Boateng: Ein bösartiger Satz


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Nicht jeder hat das Glück als Weißer geboren zu sein – das ist schon ein besonderes Privileg, worauf man stolz sein kann, nicht wahr Herr Gauland? Ich habe endgültig die Nase voll von diesen wiederholten Spielchen der AfD und allgemein der Rechtspopulisten, zuerst provozieren, danach relativieren, wissend, dass es bei den eigenen Anhängern sehr wohl richtig ankam. Und danach feige abstreiten, anstatt zu seiner Aussage stehen. Ich denke das war ein klassisches Eigentor von Herrn Gauland. Die „Leute“ stehen hinter der Nationalmannschaft, bis auf ein paar denen es stört wenn ein paar Dunkelhäutige dabei sind, die aber die Qualität des deutschen Fußballs wesentlich erhöhen. Fraglich ob sie ohne diese Weltmeister geworden wären.

„Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ Selbst DFB-Nationalspieler sind inzwischen offenes Ziel der Haßtiraden von Pegida und AfD-Vize Alexander Gauland. Sätze wie diese entlarven, wie viel Haß sich am rechten Rand dieser Gesellschaft aufgestaut hat und nun ganz ungezügelt offen Bahn bricht. Gauland weiß eben was „die Leute“ wollen, oder man kann das Wort Leute auch mit „das Volk“ austauschen.

 

Der in Berlin geborene Jerome Boateng ist der Sohn einer deutschen Mutter und eines ghanaischen Vaters – und Stammverteidiger in Deutschlands Nationalelf.


Einen besser Integrierten als Jérôme Boateng kann ich mir gar nicht vorstellen, und übrigens, er ist Christ.

(Nebenbemerkung zu Christ: was ich von mir nicht sagen könnte, also schon out bei der AfD, was ich aber wirklich nicht bedaure).

Was möchte denn Gauland und andere Deutschnationale? Möchten sie nur mehr Bio-Deutsche für die deutsche Nationalmannschaft spielen lassen? Warum denn dann nicht gleich den Ahnenpass wieder einführen mit Ariernachweis?

Hier ein Kommentar vom Sebastian Fischer, vom Spiegel, der ausgezeichnet analysiert wie die Masche bei Rechtspopulisten läuft.

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Gauland, Boateng
DPA -Gauland, Boateng
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Erst beleidigt AfD-Vize Alexander Gauland den Nationalspieler Jérôme Boateng, dann will er es nicht so gemeint und nicht so gesagt haben. Das ist eine bekannte Masche von Rechtspopulisten.


„Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben. Das hat AfD-Vizechef Alexander Gauland der „Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung“ („FAS“) zufolge über den deutschen Staatsbürger und Fußballweltmeister Jérôme Boateng gesagt.

 

Es ist ein bösartiger, ein perfider, ein irrer Satz.


Bösartig natürlich zuallererst deshalb, weil hier mit rassistischen Klischees gearbeitet wird: „Die Leute“ wollen „einen Boateng“ nicht als Nachbarn haben – weil er Fußballer ist? Weil er Millionär ist? Nein, was Gauland meint, ist ganz klar: Weil Boatengs Haut schwarz ist.


Bösartig ist der Satz, weil er in gönnerhaftem Duktus daherkommt: Fußballspielen darf er gern für Deutschland – noch mal: Boateng ist gebürtiger Berliner – aber er muss ja nicht nebenan wohnen. Der Fußballnationalspieler wird zum Lakaien herabgestuft, zum Diener weißer Herren.

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Getty Images
AfD-Vize Alexander Gauland
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Bösartig ist der Satz auch, weil Gauland sich eines rhetorischen Kniffs bedient: Nicht er direkt beleidigt Boateng, sondern er zitiert „die Leute“ – ohne Beleg. Für die angebliche Meinung dieser Leute kann er ja tatsächlich nichts, durch seine Wortwahl aber vermittelt er ihnen, dass er ihre vermeintlichen Sorgen ernst nimmt.

Und es geht noch weiter: Als am Sonntag die öffentliche Empörung über Gauland Stunde um Stunde wächst, als sich sogar die AfD-Vorsitzende Frauke Petry von seinem Spruch distanziert, da gibt er eine Erklärung unter neuerlicher Anwendung des beschriebenen Rhetorik-Kniffs ab. Er habe Boateng „nie“ beleidigt. O-Ton-Gauland:

 

„Ich habe in dem vertraulichen Hintergrundgespräch die Einstellung mancher Menschen beschrieben, aber mich an keiner Stelle über Herrn Boateng geäußert, dessen gelungene Integration und christliches Glaubensbekenntnis mir aus Berichten über ihn bekannt sind.“

Ja, er selbst hat sich tatsächlich nicht über Boateng geäußert. Es waren ja „die Leute“ und Gauland war, nun ja, ihr Medium. Und, Stichwort „gelungene Integration“: Boateng ist in Berlin geboren, das sei hier gern zum dritten Mal angemerkt.

 

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Gaulands Kommunikationsstrategie ist alte Populisten-Schule: Man stellt etwas in den Raum, auf das man im Zweifel nicht festgelegt werden kann; die Anhänger aber verstehen die Botschaft ganz ohne Zweifel. Zugleich kann sich der Rechtspopulist als Opfer angeblicher medialer Kampagnen inszenieren. Jörg Haider war ein Meister dieses Faches.

Die „FAS“ übrigens bleibt bei ihrer Darstellung. Und nun? Bleibt noch die Nachbarschaftsfrage.

Hätte man also Alexander Gauland gern als Nachbar? Klar, warum denn nicht. Wahrscheinlich wäre er einer, der die Hecken sehr ordentlich schneiden und stets höflichst grüßen würde. Auch Jerôme Boateng wäre sicherlich ein freundlicher Nachbar, wenn man sich denn eine Villa nebenan leisten könnte.

Noch lieber aber will man ihn auf der großen Bühne sehen, als Akteur. Bei Gauland ist das genau anders herum. Als Nachbar? Passt schon. In politischer Verantwortung? Bitte nicht.

Ein Kommentar von
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AfD-Vize Gauland über Boateng: Ein bösartiger Satz

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Hier noch ein Auszug aus Yahoo

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Als dann ein Sturm sich erhob und recht viele von diesen Leuten, von denen Gauland immerzu spricht, sich als Nachbarn von Boateng bewarben, ruderte der Mann, der sich gern als alter Weiser vom Berg sieht, zurück: Er habe sich nicht über Boateng als Person geäußert. „Ich habe nie, wie die ‘FAS’ insinuiert, Herrn Boateng beleidigt. Ich kenne ihn nicht und käme daher auch nicht auf die Idee, ihn als Persönlichkeit abzuwerten.“

Dumm nur, dass die Kollegen von der FAS das Gespräch aufgezeichnet hatten.

Das dämmerte auch dem Tweedjackenintellektuellen und er ging vor die Kamera. In der ARD erklärte Gauland schließlich, Boatengs Name könne gefallen sein, möglicherweise seitens der Journalisten – „denn ich kenne mich im Fußball gar nicht aus“. Er habe deutlich machen wollen, „dass es viele Menschen gibt, die halt Fremde in ihrer Nachbarschaft nicht für ideal halten“.

Was lernen wir daraus – abgesehen davon, dass Gauland sich nicht für Fußball interessiert?

Die gute Nachbarschaft scheint ihm am Herzen zu liegen. Und daher, das wird Gauland in aller Kühle seines Verstandes bewusst formuliert haben, wollte er wohl vier Dinge klarstellen.

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Erstens: Menschen, die so in etwa wie Boateng heißen, also Botting, Botenmann oder Tengelmann – die werden nur gemocht, wenn sie eine tolle Leistung erbringen. Sie müssen gewissermaßen in Vorleistung gehen, denn mit ihrem Namen scheint, so meint offenbar Gauland, etwas nicht in Ordnung zu sein. Also ein Spitzensportler, den nimmt Gauland gern. Aber nur für die Mattscheibe, und wenn er dort Ruhm und Ehre fürs Land erbringt (was Gauland und uns vielen anderen noch nicht gelungen ist), aber zu nah auf die Pelle rücken soll er nicht. Heißt: Nach Potsdam, wo Gauland wohnt, könne so einer wie Boateng vielleicht zum Shoppen, aber dann bittschön zurück ins Ghetto nach München oder Berlin-Charlottenburg, wo so einer wie Boateng aufwuchs.


Zweitens: Halt, Gauland ist missverstanden worden. Er redete ja nicht von sich, sondern von „den Leuten“. Er berichtete sozusagen über die. Da stellt sich die Frage: Warum tat er das? Wollte er warnen? Ist er darüber besorgt, dass Menschen „Fremde“ nicht in ihrer Nachbarschaft haben wollen – und warum gilt man als Fremder, wenn man Boateng heißt? Als Antwort fällt mir nur ein, dass Gauland nicht mehr genau weiß, wer die Leute sind – und wer er ist.

 

Als Rechtspopulist hat man es ja schwer. Da ist man ständig eine Art Inkarnation eines Volksgeistes, ein Sprachrohr des Volkswillens, denn ständig redet das Volk zu einem. Nur flüstern „die Leute“ ihm nicht ein: ‚Kauf mehr Himbeersaft‘, sondern sie bringen ihm bei, welche Namen gehen und welche nicht. Ständig weiß das Volk, was es will. Ein stressiger Job für eine Flüstertüte wie Gauland.

https://de.nachrichten.yahoo.com/wie-alexander-gauland-uns-alle-f%C3%BCr-dumm-verkaufen-114035911.html

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Bio-Deutsche Aufstellung für die Fußball-Nationalmannschaft



Ziemlich gute Nachbarn


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Aus web.de  – Auszug.

Auch Seehofer nannte die Aussagen von Alexander Gauland erbärmlich (im Video unten).

Er ist Sohn einer deutschen Mutter und eines ghanaischen Vaters, ein Fußball-Star, ein gläubiger Christ, ein Musterbeispiel für gelungene Integration. Aber für Alexander Gauland, dem stellvertretenden Parteivorsitzenden der AfD, ist Nationalspieler Jérôme Boateng offenbar trotzdem nicht gut genug.

„Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben„, sagte Gauland zwei Reportern der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS).

Die Empörung über Gaulands Worte war groß. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte sie „niederträchtig“ und selbst die AfD-Vorsitzende Frauke Petry distanzierte sich öffentlich von den Behauptungen des früheren CDU-Mitglieds. „Gaulands Äußerung ist das aktuell derbste und perfideste Beispiel für Versuche von AfD-Politikern, auf sich aufmerksam zu machen“, schrieb der Spiegel.

 

Experte: AfD nutzt EM, um Anhänger anzusprechen

 

In den vergangenen Monaten punktete die AfD bei ihren Wählern vor allem mit einem Thema: Sorgen vor der Überfremdung Deutschlands durch die Flüchtlinge sowie die Angst vor radikalen Dschihadisten in Deutschland.

Gegen gut integrierte Migranten und Ausländer sei nichts einzuwenden, betonte die AfD-Spitze immer wieder. Diese Aussagen hat Alexander Gauland nun mit seinem Boateng-Bashing ad absurdum geführt. Der Innenverteidiger von Bayern München ist in Deutschland geboren, aufgewachsen und vorbildlich integriert. Das einzige, was ihn wohl nach Gauland-Lesart von „den Leuten“ (also den Deutschen) unterscheidet ist seine Hautfarbe.

Aus diesem Grund wollen „die Leute“ Boateng, folgt man Gauland, auch nicht als Nachbarn haben. Nur weil er eben etwas dunkelhäutiger daherkommt als der Durchschnitt der Bevölkerung. „Einfach nur rassistisch“ nannte das die Frankfurter Rundschau.

[…]

In der Vergangenheit war es die rechtsextreme NPD, die durch eine Hetzkampagne gegen die dunkelhäutigen Ex-Nationalspieler Patrick Owomoyela und Gerald Asamoah unangenehm aufgefallen war. Und die damit den Fußball missbrauchte, um ihre menschenfeindliche Weltanschauung unters Volk zu bringen.

 

AfD-Anspruch: Für die ganze Bevölkerung sprechen

 

Zudem passt Gaulands Rhetorik zum Volksvertretungsanspruch, den die AfD und ihre Anhänger so gerne für sich reklamieren. Man vertrete die „wahren Interessen“ der deutschen Bevölkerung, man spreche für die schweigende, eingeschüchterte oder von den Medien manipulierte Mehrheit.

„Den Anspruch, für die ganze Bevölkerung zu sprechen, findet man bei vielen Politikern, nicht nur bei der AfD“, erklärt Experte Emmer. „Damit will man seinen Aussagen besondere Legitimität verleihen“.

Nur sei das im Fall Boateng ein Trugschluss. Vermutlich hätten die meisten Leute überhaupt kein Problem mit einen Nachbarn Boateng: Sie wären eher stolz neben einem Fußball-Promi zu leben.

 

Video:

http://web.de/magazine/politik/alexander-gauland-boateng-aussage-politiker-kritisieren-afd-vizen-scharf-31589144

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http://web.de/magazine/politik/gauland-boateng-gefahr-aussage-31589560

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Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry – schon länger im Clinch mit ihrem Stellvertreter – hatte sich auffallend deutlich von ihm distanziert und von Erinnerungslücken gesprochen: „Herr Gauland kann sich nicht erinnern, ob er diese Äußerung getätigt hat. Ich entschuldige mich unabhängig davon bei Herrn Boateng für den Eindruck, der entstanden ist.“

http://web.de/magazine/politik/aeusserungen-jerome-boateng-weiten-afd-krise-31587528

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Gruß Hubert

 

Freitag, 27. Mai 2016

Pressefreiheit – Lügenpresse – Rückblick

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Heute wird ja vor allem von der AfD, aber auch von PEGIDA viel über die Lügenpresse gesprochen und dass ihren Meinungen zu kurz kämen, falsch wieder gegeben oder unter dem Tisch gekehrt würden. Sie verwenden Begriffe aus einer dunklen Zeit und wundern sich wenn dann entsprechende Assoziationen kommen. Und da verwahren sie sich dann dagegen. Aber es gibt nichts so Verräterisches als die Sprache.


Aus buggisch.wordpress.com

Europäische Patrioten und die unpatriotische „Lügenpresse“

 

Bei einer derart diffusen Gemengelage lohnt es vielleicht, den Blick auf Details zu richten. Dass die Angst vor Überfremdung, vor einer Islamisierung Deutschlands und vor zu viel politischer Toleranz gegenüber Asylbewerbern und Migranten weitgehend irrational ist, haben diverse Faktenchecks bereits gezeigt.

Doch nicht nur die Kernthesen von Pegida sollten überprüft werden, auch die Sprache, derer sich die Bewegung bzw. ihre Anhänger und Mitläufer bedienen, ist interessant. So wird der diffuse, schwer begründbare (und damit natürlich auch schwer zu entkräftende) Vorwurf, der Journalismus in Deutschland sei tendenziös, linksliberal, mögliche Gefahren relativierend  und damit im Kern – anders als Pegida – unpatriotisch, gerne mit dem Begriff der „Lügenpresse“ auf den Punkt gebracht.

Diesen Begriff hat Pegida natürlich nicht erfunden. Die Suche nach den Ursprüngen und der Hochzeit des Begriffs führt zurück zum Beginn des 20. Jahrhunderts – in die Zeit völkischer und nationalsozialistischer Ideologie.




Die Google Book Search zeigt, wann der Begriff "Lügenpresse" Hochkonjunktur hatte
Die Google Book Search zeigt, wann der Begriff „Lügenpresse“ Hochkonjunktur hatte

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NS-Rhetorik: Apodiktik und primitive Parolen

 

Die Ideologisierung der Sprache und die Radikalisierung der Rhetorik im Dritten Reich sind hervorragend untersucht. Es gibt zahlreiche Monographien und Dissertationen zum Thema, ein kleiner Blogbeitrag wie dieser wäre sicher der falsche Ort, um das Thema ausführlich darzustellen. Um es kurz zu machen: Ein zentrales Merkmal dieser Rhetorik ist argumentationsfreie und -verweigernde apodiktische Behauptung, das Verkünden (nicht Begründen!) von Wahrheiten, die stumpfe, permanent wiederholte Aufladung von Begriffen jenseits aller Differenzierung, die Umdeutung von Begriffen zu Kampfbegriffen.

 

„Diesem Grundsatz“, so der Historiker Joachim Fest, „entsprachen die Forderungen nach größter Primitivität, nach einfachen, schlagwortartigen Parolen, ständigen Wiederholungen, die Wendung gegen jeweils nur einen Gegner sowie der apodiktische Ton der Reden, die sich ‚Gründen‘ oder ‚Widerlegungen anderer Meinungen‘ bewusst versagte.“

Und Victor Klemperer schon 1947 über die Lingua Tertii Imperii: „Der Nazismus glitt in Fleisch und Blut der Menge über durch die Einzelworte, die Redewendungen, die Satzformen, die er ihr in millionenfachen Wiederholungen aufzwang, und die mechanisch und unbewusst übernommen wurden. (…) Das ‚Dritte Reich‘ hat die wenigsten Worte seiner Sprache selbstschöpferisch geprägt, vielleicht, wahrscheinlich sogar, überhaupt keines. Die nazistische Sprache weist in vielem auf das Ausland zurück, übernimmt das meiste andere von vorhitlerischen Deutschen. Aber sie ändert Wortwerte und Worthäufigkeiten, sie macht zum Allgemeingut, was früher einem Einzelnen oder einer winzigen Gruppe gehörte, sie beschlagnahmt für die Partei, was früher Allgemeingut war, und in alledem durchtränkt sie Worte und Wortgruppen und Satzformen mit ihrem Gift, macht sie die Sprache ihrem fürchterlichen System dienstbar, gewinnt sie an der Sprache ihr stärkstes, ihr öffentlichstes und geheimstes Werbemittel.“

[…]

Die „Lügenpresse“ in der völkischen und nationalsozialistischen Propaganda

 

So erschien schon 1914 das Buch „Der Lügenfeldzug unserer Feinde: Die Lügenpresse“ mit einer „Gegenüberstellung deutscher, englischer, französischer und russischer Nachrichten“. Es war offenbar erfolgreich, denn 1916 legte der Autor einen zweiten Band vor: „Die Lügenpresse: Der Lügenfeldzug unserer Feinde: Noch eine Gegenüberstellung deutscher und feindlicher Nachrichten“.

Später verwendet kein Geringerer als Joseph Goebbels den Begriff in seinen Reden und Schriften: „Ungehemmter denn je führt die rote Lügenpresse ihren Verleumdungsfeldzug durch …“ Richtet sich die Propaganda hier gegen den Gegner links im Parteienspektrum, wird andernorts gerne die „jüdisch marxistische Lügenpresse“ attackiert. Und auch Adolf Hitler distanzierte sich schon 1922 von der Monarchie mit dem Hinweis: „Für die Marxisten gelten wir dank ihrer Lügenpresse als reaktionäre Monarchisten“.

 

[…]

Alfred Rosenberg und die LügenpresseNur ein weiteres Beispiel, um die Sache abzukürzen: Alfred Rosenberg, Chef-Ideologe der NSDAP, verfasste 1923 das Programm der „Bewegung“ mit dem Titel Wesen, Grundlagen und Ziele der national-sozialistischen deutschen Arbeiterpartei. In Kapitel 10 propagiert er „die alte deutsche Auffassung vom Wesen und Wert der Arbeit“ und kommt zu dem Schluss: „Das Volk wird seine großen Künstler, Feldherren und Staatsmänner nicht mehr als ein ihm Entgegengesetztes empfinden – als welches eine Lügenpresse sie uns darstellen möchte -, sondern, umgekehrt, als den höchsten Ausdruck seines oft dunklen, noch unbestimmten Wollens.“

[…]

Ein patriotischer Kampfbegriff mit Tradition

 

Nach 1945 geht der Begriff nicht mit der NS-Diktatur unter, er taucht aber nur noch gelegentlich auf – bezeichnenderweise gerne in antidemokratischem Kontext, etwa im Rahmen der DDR-Propaganda gegen den Westen.

Mit anderen Worten: In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde mit „Lügenpresse“ insbesondere die ausländische, als marxistisch und jüdisch geltende Presse diffamiert. Mit dem Kampfbegriff wurden die Publikationen der linken und ausländischen Zeitungen pauschal als „undeutsch“ und „vaterlandslos“ verurteilt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts bedient sich Pegida desselben Kampfbegriffs, richtet ihn gegen die Zeitungen im eigenen Land, verknüpft damit aber die gleiche Kritik wie ein Jahrhundert zuvor: Lügenpresse ist unpatriotische Presse. Wäre der Begriff noch salonfähig, hätte Pegida die Journalisten auch als „Vaterlandsverräter“ bezeichnen können.

Update: Inzwischen wurde der Begriff „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres 2014 gekürt. Aus diesem Anlass habe ich dem NDR ein Interview zur Geschichte des Begriffs gegeben.

Update 2: Hier gibt es einen Beitrag von mir zu der Frage, wie wir mit Pegida umgehen sollten.

 

Hier noch ein Kommentar dazu.




Selbstverständlich ist Pegida mit Schuld an den Brandanschlägen. Wenn man aktiv daran mitwirkt, ein fremdenfeindliches Klima im Land zu schaffen, in dem man absurde Vorurteile jenseits von Fakten schürt und behauptet, man repräsentiere die schweigende Mehrheit aus der Mitte, obwohl man offensichtlich eine laute Minderheit vom rechten Rand ist, dann muss man sich nicht wundern, wenn manche Hohlbirnen sich dazu angespornt fühlen, den nächsten Schritt zu gehen.


Pressefreiheit – Lügenpresse – Rückblick

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Und wie sah es mit der „Freien Presse“ im Nationalsozialismus aus?

Auszug aus dem Spiegel.

Sie waren ausgezogen, die Nation von der bürgerlich-marxistischen Journaille“ zu säubern. Das Führerprinzip sollte auch in der Presse Einzug halten, jeder Zeitung und jeder Spalte war die Aufgabe zugedacht, das Genie Adolf Hitlers zu feiern und die nationalsozialistische Volksgemeinschaft zu festigen.

Schlag um Schlag zerstörten sie die freie Presse. Die sozialdemokratischen und kommunistischen Zeitungen wurden verboten, die Journalisten in das Joch eines diktatorischen Schriftleitergesetzes genommen, jede Opposition aus den Redaktionsstuben vertrieben.

 

Später fielen auch die unpolitischen Zeitungen in die Hände des Regimes. Bis 1942 hatte der NS-Pressetrust des Reichsleiters Max Amann 80 Prozent der bürgerlichen Presse aufgesogen. Amann triumphierte: „Die Partei beherrscht die Presse.“ Selbst Hitler staunte: „Das macht uns kein Land nach.“

 

An die Stelle einer vielstimmigen Presse aber rückte eine graue Einöde, in der sich nicht einmal Nationalsozialisten wohl fühlten. Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, der selber täglich detaillierte „Sprachregelungen“ an die Presse herausgab, notierte sich am 14. April 1943: „Der Journalismus wird hier geschurigelt, als wenn er sich noch in der Volksschule befände. Ein Mann, der noch ein bißchen Ehrgefühl besitzt, wird sich in Zukunft schwer hüten, Journalist zu werden.“

Am ärgsten irritierte die totalitäre Gedankenkontrolle den Mann, der von Berufs wegen dazu ausersehen war, die Pressepolitik des Regimes exemplarisch vorzuleben: den Hauptmann außer Dienst Wilhelm Weiß, SA-Gruppenführer, Leiter des Reichsverbandes der Deutschen Presse und Hauptschriftleiter des „Völkischen Beobachter“. Mit dem „Kampfblatt der nationalsozialistischen Bewegung Großdeutschlands“, wie sich der „VB“ im Untertitel nannte, sollte Weiß den Typ einer neuen, nur auf die Bedürfnisse des Regimes zugeschnittenen Presse schaffen.

 

[…]

Das Elend nationalsozialistischer Pressepraxis hat jetzt die Münchner Historikerin Dr. Sonja Noller am Beispiel des „Völkischen Beobachter“ dargestellt. In einem Essay, der in der Reihe der vom Scherz Verlag herausgegebenen Faksimile-Ausgaben bedeutender Zeitungen erschienen ist, erzählt sie Aufstieg und Bankrott der ersten deutschen Tageszeitung, deren Auflage die Millionengrenze überschritt*.

Der VB nannte sich nicht „Zeitung“, sondern „Kampfblatt“, und das war kein Zufall. Sein Stil verriet die Herkunft des NS-Organs: Er war, formuliert Sonja Noller, „aus der Flugschrift und dem Plakat entwickelt. Er war mehr gesprochen als geschrieben und trug alle Zeichen des Plakathaften: Zusammenballung von Schlagworten, auf das Gefühl abgestellte Phrasen und Meinungen, überredende, verführende Wortkraft, Radau und Aggressivität“.

[…]

Nach Ehers Tod im Jahre 1918 verkaufte seine Witwe die Zeitung an den Freiherrn Rudolf von Sebottendorff, und mit ihm begann die politische Karriere der Zeitung. Ab 1919 nannte sich das Blatt „Völkischer Beobachter“, die Vorstadt-Zeitung wurde zum Sprachrohr nationalistisch-völkischer Rechtsextremisten.

Der Freiherr von Sebottendorff gehörte zu den Führern der Thule-Gesellschaft, einer jener völkischen Vorläuferinnen des Nationalsozialismus, die auf den verlorenen Krieg und den Zusammenbruch der Thron- und-Altar-Ordnung mit Haß gegen Republik, „Rote“ und Juden reagierten.


„Macht ganze Arbeit mit den Juden!“ krakeelte der VB am 10. März 1920 und putschte seine Leser dazu auf, „das ostjüdische und jüdische Ungeziefer überhaupt mit eisernen Besen auszufegen“. Pausenlos propagierte das Thule-Blatt „völkische Politik, d. i. innere Einstellung und Verfahren völkischer Geister zu den Dingen des Staates, des Volkes und der Welt“ — so der VB am 29. Juli 1920.

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Aber auch der unermüdliche Appell an die nationalistischen Instinkte vermochte das Blatt nicht von seiner wachsenden Schuldenlast zu befreien. Der „Völkische Beobachter“ verkaufte knapp 7000 Exemplare, Ende 1920 beliefen sich die VB-Schulden auf 250 000 Mark. Das Blatt der „völkischen Erneuerung“ stand vor dem Bankrott.

Da bot sich ein Retter an: Anton Drexler, Vorsitzender der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, hinter dem damals schon sprungbereit Adolf Hitler stand, erwarb den VB für 120 000 Mark. Am 17. Dezember 1920 ließ er sich neben Käthe Bierbaumer und Dora Kunze, der Geliebten und der Schwester Sebottendorffs, als Hauptteilhaber ins Handelsregister eintragen, einen Tag später erfuhren die Leser, daß die Zeitung in den Besitz der NSDAP übergegangen sei.

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* Sonja Noller und Hildegard von Kotze: Facsimile-Querschnitt durch den Völkischen Beobachter“. Scherz Verlag, München – Bern – Wien; 208 Seiten; 24.80 Mark.
[…]

Am 30. April 1945 druckte Wilhelm Weiß in München die letzte Nummer des „Völkischen Beobachter“ mit der sechsspaltigen Schlagzeile: „Großschlacht um Bayern“. Sie erreichte die Deutschen nicht mehr — Amerikas Panzer rollten schon durch die Straßen und signalisierten das Ende.

Hier weiterlesen:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46437602.html

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Gruß Hubert

 

Samstag, 14. Mai 2016

Italien – Gesetz zu eheähnlichen Partnerschaften


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Ich bin ja mit vielem nicht einverstanden was Italiens Ministerpräsident Renzi so tut, aber hier muss ich ihm voll zustimmen. Nämlich als er neulich sagte: er habe auf die Verfassung geschworen, nicht auf die Bibel.

Italien ist das letzte westeuropäische Land, in dem homosexuelle Partnerschaften zuvor keine rechtliche Grundlage hatten. Auch der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hatte dies kritisiert.

Es ist einmal ein Schritt in die richtige Richtung, denn das Gesetz wurde auf Druck von konservativen Kreisen, von Rechten und der Kirche verwässert und einige doch wichtige Passagen aus dem Gesetz gestrichen.

Große Teile des italienischen Mitte-Rechts-Lagers sind unzufrieden mit dem Gesetz und haben schon angekündigt ein Referendum dagegen zu initiieren.


Parlament

Unioni civili auf dem Prüfstand

 

Freude und Kritik am genehmigten Gesetz zu eheähnlichen Partnerschaften. Premier Renzi verteidigt sich: „Habe auf die Verfassung geschworen, nicht auf die Bibel.“

 Er wusste, dass er sich mit diesem Gesetzentwurf aufs Glatteis begab. Und doch hat Ministerpräsident Matteo Renzi den Vorschlag, eheähnliche Lebenspartnerschaften für homosexuelle Paare zu legalisieren, vorangetrieben. Sowohl im Senat (am 25. Februar) als auch in der Abgeordnetenkammer (vergangenen Mittwoch) ein Ja für die Eintragung der “unioni civili” gegeben. Wohl auch, weil Renzi die Abstimmung an die Vertrauensfrage geknüpft hatte.


Diese rechtliche Anerkennung muss gleichzeitig von einer gesellschaftlichen Anerkennung begleitet werden, damit der Diskriminierung homosexueller Menschen entgegengewirkt wird.
(Martina De Zordo, Südtiroler Jugendring)


Als einen “Schritt Italiens in Richtung Europa” bezeichnet die SVP-Parlamentarierin Renate Gebhard die erfolgreiche Absegnung des Gesetzes. Italien war bekanntlich das letzte westeuropäische Land gewesen, in dem Lebenspartnerschaften homosexueller Paare nicht geregelt waren. “Gute Gründe, um aus progressiver Sicht Vorbehalte” gegen die so genannte “legge Cirinnà” anzumelden sieht hingegen Florian Kronbichler. Dem für SEL-Grüne in die Abgeordnetenkammer gewählten Parlamentarier und seiner Parlamentsgruppe geht das Gesetz nämlich nicht weit genug. “Konservative und kirchenhörige Kräfte” hätten es geschafft, den ursprünglichen Entwurf aufzuweichen. “So erreichten sie, dass beispielsweise allein das Wort Ehe schon exklusiv für die traditionelle vorbehalten bleiben muss. Es ist die Treuepflicht, so wie für die Ehe noch vorgesehen, nicht enthalten. Einschränkungen gibt’s auch für das Adoptionsrecht”, erinnert Kronbichler.

 

Diese beiden Elemente vermisst auch Andreas Unterkircher von der Schwul-Lesbischen Initiative Centaurus im Cirinnà-Gesetz. Nichtsdestotrotz sei ein erster, wichtiger Schritt in Richtung komplette Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Partnerschaften getan worden, so Unterkircher.

 

Kritik an dem Gesetz und an Ministerpräsident Renzi kommt indes von der Kirche. Da ist die Rede vom “Begräbnis der Ehe und der Familie”, von “falschen Prioritäten”, die das Gesetz setze. Unzufrieden mit der nun geschaffenen Möglichkeit für homosexuelle Paare, sich in ein Partnerschaftsregister eintragen zu lassen, sind auch große Teile des italienischen Mitte-Rechts-Lagers. Politiker der Lega Nord, Forza Italia, Area Popolare haben angekündigt, Unterschriften für ein Referendum sammeln und die Frage zurück an die Bevölkerung geben zu wollen. Dazu wurde bereits ein Komitee gegründet, das sich mit dem Slogan “parola al popolo sovrano” und dem Hashtag #ciricorderemo an die Italiener wendet.


Eine klare Abfuhr an seine Kritiker erteilte Matteo Renzi schließlich in der Rai1-Polit-Talkshow Porta a Porta.

Zu Moderator Bruno Vespa sagte Renzi am Donnerstag Abend: “Ich bin Katholik, aber Politik mache ich als Laie. Ich habe auf die Verfassung geschworen und nicht auf die Bibel.” Die negativen Reaktionen in Politik und Kirche habe er sich erwartet, so der Premier weiter. Und wenn er für seine Entscheidung, das Gesetz durchzubringen – auch unter Anwendung der Vertrauensfrage – dann sei er bereit, die Zeche zu zahlen.

Standhaft reagiert auch die PD-Politikerin Monica Cirinnà, die dem nicht unumstrittenen Gesetz den Namen gegeben hat, auf die Attacken: “Ich wünsche mir, dass das Referendum kommt, weil wir es gewinnen werden. So wie bereits andere große gesellschaftliche Gesetze per Referendum bestätigt wurden.”

 

Italien – Gesetz zu eheähnlichen Partnerschaften



Auszug aus der Tiroler Tageszeitung.

Das katholisch geprägte Italien war bisher eines der wenigen EU-Länder, in denen bisher gleichgeschlechtliche Partnerschaften rechtlich nicht anerkannt waren. Das Gesetz enthält einige Neuerungen. So sollen homosexuelle Partner vor Gericht, am Finanzamt oder im Krankenhaus wie Eheleute behandelt werden. Sie können auch den Namen des anderen annehmen. Im Todesfall gehen Pensionsbezüge auf den Hinterbliebenen über. 

http://www.tt.com/home/11498224-91/kampagne-gegen-homo-lebenspartnerschaften-in-italien.csp


Auszug aus dem Oberbayerisches Volksblatt, sicher kein progressives Blatt.

Ministerpräsident Matteo Renzi, der das Vorhaben maßgeblich vorangetrieben hatte, sprach schon vor dem Votum von einem „Festtag“, für alle, „die sich endlich anerkannt fühlen“. Der praktizierende Katholik hatte die Abstimmung mit der Vertrauensfrage verbunden, um den Druck auf die Abgeordneten zu erhöhen und das Verfahren zu beschleunigen.

In den vergangenen 30 Jahren waren alle Vorstöße in diese Richtung am Widerstand der katholischen Kirche gescheitert. Es gab leidenschaftliche Debatten, politische Kampagnen und Massendemonstrationen. Auch diesmal fehlte es nicht an Kritik aus der Reihe der Bischöfe. Doch deren Wortmeldungen wirkten im Vergleich zu früher deutlich moderater.

Die Zurückhaltung der katholischen Bischöfe in der politischen Debatte hat offenbar mit dem neuen Kurs zu tun, den Franziskus der Bischofskonferenz des Landes verordnet hat.

http://www.ovb-online.de/homo-ehen-auch-italien-6398578.html

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So wie in Russland, wo Homosexuelle tätlich angegriffen, ja auch ermordert werden, kann es auf keinem Fall gehen. Was geht es denen an wie jemand sexuell orientiert ist? Aber Leuten mit solchen rechten Ideologien passt es ja schon nicht, wenn jemand eine andere Hautfarbe hat, dann ist derjenige schon wertlos, wenn nicht gar Abschaum.

Hier ein Auszug aus einer Petition.

Am 27. März wurde der 54-jährige Journalist Dmitry Tsilikinin in seinem Apartment in St. Petersburg ermordet. Wie sich herausstellte, war der Mörder der 21-jährige Student Sergey Kosirev, der im Verhör auch die Motivation für sein Gewaltverbrechen offenlegte: Er sagt, es sei seine Mission, die Welt von Homosexuellen zu „säubern”. Dennoch wurde dieser Mord nach russischem Recht nicht als „Mord aus Hass” eingestuft.
Am 3. Mai wurde ein anderer bekannter Journalist, Alexander Rubtsov, ermordet. Und auch er wurde in seiner eigenen Wohnung umgebracht.

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Gruß Hubert