Historiker Heinisch: “Die Schule sollte ein kopftuchfreier Raum sein”
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Ein gutes Interview mit dem Historiker Heinisch über die Probleme mit dem Islam, wie ich finde.
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Heiko Heinisch über das Problem mit dem Islam, paternalistische Linke und Mobbing gegen Mädchen ohne Kopftuch
STANDARD: Sie haben in einem Artikel für das Magazin “The European”
geschrieben: “Wir haben ein Problem mit dem Islam. Wir alle, die wir in
freien und offenen Gesellschaften leben wollen, unabhängig von unserer
Religion oder Weltanschauung.” Was ist das Problem?
Heiko Heinisch: In den islamischen Gesellschaften beobachten
wir seit knapp 40 Jahren einen Vormarsch islamistischer Kräfte, die
eine Umgestaltung der Gesellschaft nach islamischen Kriterien, also so
etwas wie einen islamischen Staat, durchsetzen wollen. Den Startschuss
gab die Revolution im Iran, die auch auf die mehrheitlich sunnitischen
Länder wirkte. Vor allem Saudi-Arabien finanziert weltweit islamistische
Propaganda, aber auch Katar und die Türkei unter Erdogan propagieren
einen politisierten Islam, der sich in den letzten Jahrzehnten zum
Mainstream entwickelt hat. Das färbt selbstverständlich auch auf die
islamischen Verbände in Europa ab, die überwiegend ebenfalls einen
politisierten Islam repräsentieren – das ist unser Problem.
STANDARD: Was ist dagegen zu tun?
Heinisch: Zunächst sollte man dem Islamismus genauso begegnen wie
anderen radikalen politischen Ideologien und ihn nicht unter dem
Oberbegriff Religion quasi unter den Schutz der Religionsfreiheit
stellen. Man muss klar sagen, ja, Religionsfreiheit besteht, Gläubige
können bei uns ihre Religion frei ausleben, aber der Ideologie und den
damit verknüpften politischen Ansprüchen müssen wir etwas
entgegenstellen und gleichzeitig die Kräfte stärken, die für liberalere
Ausprägungen der Religion eintreten.
STANDARD: Sie haben mit Nina Scholz das Buch “Europa, Menschenrechte
und Islam – ein Kulturkampf?” verfasst. Ist es ein Kulturkampf?
Heinisch: Ja, ein Kulturkampf, der auch in Europa ausgetragen wird,
aber eben kein Kampf zwischen dem Westen und dem Islam, sondern ein
Kampf zwischen denen, die für freie Gesellschaften und die Werte der
Aufklärung eintreten, und jenen, die totalitäre Systeme wollen, ob, wie
die Islamisten, unter religiösem Vorzeichen oder unter nationalem, wie
die diversen rechtspopulistischen Parteien, die ebenfalls keine freie
Gesellschaft zum Ziel haben.
STANDARD: Sind der Islam und Demokratie vereinbar?
Heinisch: Das halte ich prinzipiell für genauso möglich wie beim
Christentum. Es gibt diesen Irrglauben, der Islam habe keine Aufklärung
durchgemacht. Das Christentum hat
auch keine Aufklärung durchgemacht, sondern die europäischen
Gesellschaften. Auf diesem Weg wurden die kirchlichen Autoritäten quasi
gezwungen, das nachzuvollziehen. So gesehen brauchen die islamischen Gesellschaften eine Aufklärung und nicht der Islam.
STANDARD: Wer soll die islamischen Gesellschaften aufklären?
Heinisch: Liberale
Denker und Gruppen, die es auch in der islamischen Welt gibt, die aber
zurzeit leider auf recht verlorenem Posten stehen. Umso wichtiger ist
es, diesen Kräften in Europa mehr Freiraum zu schaffen, weil sie nur
hier die Freiheit finden, um ihre Theorien ausbreiten und diskutieren zu
können. Stattdessen passiert dann häufig das, was dem Algerier Kamel
Daoud in Frankreich gerade passiert ist: Er muss sich von linken
Intellektuellen einen Shitstorm gefallen lassen, weil er seine eigene
Gesellschaft kritisiert hat.
STANDARD: Würden Sie sagen, linke Intellektuelle in Europa
haben in der Auseinandersetzung mit dem Islam ein blindes Auge und
wollen bestimmte Dinge nicht sehen?
Heinisch: Große Teile der
Linken, ja. Die sehen nur die unterdrückte Minderheit vor sich und nicht
einzelne freie Bürger, und sie glauben immer, sie müssen diese Gruppe
beschützen. Das ist ein paternalistischer Blick auf die anderen. Sie
erklären sich zur Schutzmacht der Muslime in Europa und verteidigen
dabei zum Teil eben auch Gruppen und Ideologien, die ihnen ansonsten
sehr fernstehen müssten, was ihnen aber offensichtlich nicht mehr
auffällt.
STANDARD: Was leiten Sie vor diesem Hintergrund ab für den Umgang mit den Flüchtlingen?
Heinisch: Wir müssen vieles anders machen als in den letzten 50
Jahren. Da herrschte in ganz Europa – in einigen Staaten mehr, in
anderen weniger – so etwas wie Laissez-faire. Zwar wurde die
multikulturelle Gesellschaft bejubelt, aber man hatte kein wirkliches
Interesse an den anderen, man hat sie nicht wirklich als Mitglieder der
Gesellschaft betrachtet. In Belgien etwa leben viele Einwanderer in
“ihrem” Stadtviertel und konnten dort weitgehend tun, was sie wollten.
Die lassen “uns” in Ruhe, “wir” “sie”. Dahinter verbirgt sich ein Denken
in Kollektiven: Wir und Die. Wir müssen anfangen, uns alle als eine
Gesellschaft zu begreifen und Probleme in bestimmten Gruppen als
gesamtgesellschaftliche Probleme wahrnehmen.
STANDARD: Was dürfen oder müssen wir Flüchtlingen abverlangen?
Heinisch: Wir müssen ihnen sagen, was bei uns möglich ist und was
nicht. Wir müssen ihnen unsere Gesellschaft erklären und die Werte
vermitteln, auf denen sie basiert – und ihnen dabei auch immer
mitvermitteln, welche Vorteile sie selbst davon haben, etwa dass sie
hier Sachen machen können, für die sie wahrscheinlich in ihrer Heimat
verfolgt worden wären.
STANDARD: Also ihnen auch vermitteln, dass sie auf bestimmte Dinge,
die sie aus ihrer Heimat oder Religion mitbringen, verzichten müssen,
wenn sie hier leben wollen?
Heinisch: Ja, das müssen wir. Es gibt Dinge, die sie hier so nicht leben können wie in ihrer Heimat.
STANDARD: Zum Beispiel?
Heinisch: Das fängt an bei den
sogenannten arrangierten Ehen, die zum Großteil Zwangsehen sind. In
Europa hat eine junge Frau das Recht, nicht zu heiraten, wenn sie nicht
will, und sie hat das Recht, ihren Partner auszusuchen, und zwar
unabhängig davon, ob sie in eine muslimische Familie geboren wurde oder
in eine andere. An diesem Punkt spießen sich einem Kollektiv
zugestandene Rechte mit den individuellen Freiheitsrechten: Wenn ich dem
Kollektiv “arrangierte Ehen” zugestehe, dann entziehe ich den
Mitgliedern dieses Kollektivs Freiheitsrechte.
STANDARD: Apropos Werte. Die Regierung setzt auf achtstündige “Wertekurse”. Genügt das?
Heinisch: Das ist ein Einstieg. Es sollte aber ein dauerhaftes
Projekt für jeden Flüchtling sein. Mir stellt sich etwa die Frage, warum
die Deutschkurse nicht dazu genutzt werden, gleichzeitig Werte und das
Leben in unserer Gesellschaft zu vermitteln? Noch besser wäre ein System
wie in Kanada, wo Neueinwanderer einen “Integrationslotsen” bekommen,
der ihnen das alltägliche Leben erklärt. Da geht’s oft um Kleinigkeiten,
etwa wie löse ich ein Ticket am Fahrscheinautomaten? Aber auch um Hilfe
bei der Arbeitsplatzsuche, beim Spracherwerb und eben auch um das
Vermitteln des Rechts- und Wertesystems. Über ein Jahr hinweg werden die
Neueinwanderer in die Gesellschaft eingeführt.
STANDARD: Sie schreiben auch über das Kopftuch: Wie stehen Sie dazu?
Heinisch: Prinzipiell hat eine Frau natürlich ein Recht, ein
Kopftuch zu tragen, so wie sie das Recht hat, sich einen Irokesenschnitt
zu schneiden. Ich halte allerdings nichts davon zu sagen, das Kopftuch
sei nur ein Modeaccessoire oder bloßes religiöses Symbol. Es wird von
politischen islamischen Organisationen als politisches Symbol benutzt.
Bei Kindern in der Schule und
noch mehr im Kindergarten habe ich ein ernsthaftes Problem damit, denn
ich kenne mittlerweile nicht nur aus Berlin, sondern auch aus Wien
Beispiele, dass es muslimischen Mädchen an manchen Schulen schon fast
nicht mehr möglich ist, ohne Kopftuch zu kommen, weil sie dann gemobbt
werden. Da müssen wir eine Grenze ziehen und die schützen, die zum
Kopftuch gezwungen werden, eventuell auch dadurch, dass wir in gewissen
Räumen die anderen dazu zwingen, kein Kopftuch zu tragen.
STANDARD: Würden Sie im Kindergarten und in der Volksschule also für ein Kopftuchverbot plädieren?
Heinisch: Ja. Die Schule sollte
ein kopftuchfreier Raum sein. Zumindest für die Schülerinnen würde ich
aus einem einfachen Grund für ein Verbot eintreten: Es mag sehr viele
Mädchen geben, die freiwillig ein Kopftuch tragen, aber es gibt
wahrscheinlich mehr, die es nicht freiwillig tragen. Von denen hören wir
nur weniger, weil sie in den Medien nicht vorkommen, schlicht und
einfach weil ein Mädchen, das zum Kopftuchtragen gezwungen wird, einer
Zeitung kaum ein Interview geben kann. Um diese Mädchen zu schützen,
gibt es nur eine Möglichkeit: kein Kopftuch in der Schule. Dann haben
Mädchen die Möglichkeit, das Leben auch einmal ohne Kopftuch
wahrzunehmen – zumindest in diesem geschützten Raum.
(Lisa Nimmervoll, 17.4.2016)
Heiko Heinisch (geb. 1966 in Offenbach am Main) ist Historiker und
befasst sich vor allem mit Freiheit, Menschenrechten und Demokratie.
Jüngste Publikation mit Nina Scholz: “Charlie versus Mohammed. Plädoyer
für die Meinungsfreiheit” (Passagen-Verlag 2016). Er schreibt regelmäßig
für das Online-Debattenmagazin diekolumnisten.de. Am Donnerstag, 21.
April spricht er ab 19 Uhr im Zoom-Kindermuseum bei den von Zoom und
STANDARD organisierten Zoom Lectures zum Generalthema “Kindheit heute”
mit Andrea Walach, Direktorin der NMS Gassergasse, über Erziehung und
Werte. –
derstandard.at/2000034954194/Heiko-Heinisch-Die-Schule-sollte-ein-kopftuchfreier-Raum-sein
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Gruß Hubert
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