Dienstag, 26. April 2016

„Die Moscheen sind unsere Kasernen“


.

Erdogan birst fast vor lauter Nationalstolz. Er benützt den Islam als politische Waffe und zur Aufstachelung seiner Landsleute auch in Deutschland, wie man in Köln gesehen hat. Seine Gegner, wie zum Beispiel die Kurden, nennt er einfach Terroristen, so auch Journalisten, die kritisch über ihn berichten. Pressefreiheit gibt es schon lange keine mehr in der Türkei. Erdogan lässt auch Frauen niederknüppeln, so geschehen am Tag der Frau.

.

Die Türkei unter Erdoğan.

 

 „Die Moscheen sind unsere Kasernen“


Der Streit um die „Extra 3“-Satire gegen den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan schlägt hohe Wellen. Der kurze Clip, der einen bekannten Hit von Nena zu „Erdowie, Erdowo, Erdogan“ abändert, sorgte für diplomatische Verstimmungen. Der deutsche Botschafter in Ankara, Martin Erdmann, wurde ins türkische Außenministerium einbestellt, das seine Missgunst offen ausdrückte. Eher kontraproduktiv, denn „Extra 3“ hatte dem Präsidenten doch vorgeworfen, die Pressefreiheit einzuschränken.

 

Comedian Jan Böhmermann legte nach. In einem Gedicht unterhalb der Gürtellinie reihte er Beleidigung an Beleidigung. Seine Satire war nicht ernst gemeint (so weit Satire überhaupt ernst gemeint sein kann), sondern war mehr Kalkül als Provokation. Böhmermann wollte bewusst die Grenzen des Sagbaren ausloten und gab dies in seiner Sendung ja auch zu. Letztlich erreichte er das Ziel. Seine Sendung wurde aus der ZDF-Mediathek entfernt. Der öffentlich-rechtliche Sender sprang bereitwillig über das Stöckchen, das Böhmermann ihm vorhielt. Wie unsinnig die Löschung ist, zeigt sich vor allem daran, dass das Gedicht online immer noch aufrufbar ist.

 

Der türkische Botschafter in Berlin, Hüseyin Avni Karslioğlu, hatte sich in die Debatte eingemischt. Ihm hätten „sowohl türkisch- als auch deutschstämmige Bürger und Bürgerinnen ihre verletzten Gefühle zum Ausdruck gebracht und ihre Meinung geäußert, dass Herr Böhmermanns Video an das Rassistische grenzt.“ Kanzlerin Angela Merkel versuchte die Wogen zu glätten. Sie entschuldigte sich telefonisch beim türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu für den „bewusst verletzenden Text“ und verwies auf die Löschung aus der Mediathek.

 

War Böhmermanns Beitrag noch eine Meta-Satire, die völlig ohne sachliche Substanz auskommt, kritisierte der „Extra 3“-Beitrag tatsächliche Zustände. In der Türkei werden Journalisten inhaftiert, mehrfach griff die Regierung ein, um unerwünschte Nachrichten im Internet zu unterdrücken, zum Beispiel über eine Twitter-Sperre. Im Ranking der NGO Reporter ohne Grenzen nimmt die Türkei Platz 149 von 180 in der internationalen Skala der Pressefreiheit ein.

 

„Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind“

Erdoğans Kurs kann niemanden ernstlich überraschen. Schon bald nach seinem Amtsantritt als Ministerpräsident im Jahr 2003 kursierte folgendes Zitat aus den 90er Jahren:

„Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“

 

Wer auf diese Äußerung verwies wurde schnell in die rassistische oder rechtspopulistische Ecke gestellt – tatsächlich lässt sich aber spätestens seit 2013 sagen, dass Erdoğan seinen Fahrplan 1:1 umgesetzt hat. Unter seiner Führung hat sich die Türkei (abgesehen von einem wirtschaftlichen Aufschwung) spürbar zurückentwickelt. In der jüngeren Vergangenheit ist der Kurdenkonflikt wieder aufgeflammt. Bei Terroranschlägen kurdischer Extremisten oder des Islamischen Staats starben im zurückliegenden Jahr ca. 200 Menschen.

 

Auch im Konflikt um die Region Nagorno-Karabach gießt Erdoğan fleißig Öl ins Feuer. Bei den jüngsten Gefechten zwischen Armenien und Aserbaidschan wurden über 30 Menschen getötet. Seit dem Zerfall der Sowjetunion kamen dort ca. 30.000 Menschen ums Leben. Die Türkei sieht sich als Schutzherr der Aserbaidschaner, die als Brudervolk gelten und eine Turksprache sprechen. „Wir beten dafür, dass unsere aserbaidschanischen Brüder mit den kleinstmöglichen Verlusten die Oberhand in diesen Kämpfen gewinnen“, so Erdoğan. Er versprach das Land „bis zum Ende“ zu unterstützen.

 

Wie jetzt bekannt wurde, hatte die Türkei bereits zum dritten Mal in diesem Jahr den deutschen Botschafter Erdmann einbestellt. Dieser blieb aber cool. Er präsentierte eine türkische Übersetzung des Grundgesetzes und Karikaturen, die zeigen, dass auch Kanzlerin Merkel in Deutschland verspottet wird. Zuvor musste sich Erdmann Protest anhören, weil er einen Prozess gegen Journalisten beobachtet hatte und weil Sachsen-Anhalt in einer Richtlinie für Lehrer den Völkermord an den Armeniern thematisiert. Das Bundesland berührt ein sensibles Thema. Die Türkei streitet die historische Verantwortung für die Verbrechen im Osmanischen Reich ab. Die Bewegung der Jungtürken hatte während des 1. Weltkriegs bis zu 1.5 Millionen Armenier ermordet. Das Auswärtige Amt in Berlin war über die Geschehnisse im Bilde, schritt aber nicht ein, um das Osmanische Reich als Verbündeten nicht zu verärgern.

 

Zu einem ähnlichen Vorfall kam es 2009, als das Land Brandenburg den Völkermord im Lehrplan thematisieren wollte. Der Vorsitzende der (SPD-nahen) Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, intervenierte. Der Vorstoß übe einen „psychologischen Druck“, auf türkische Schüler aus, der sie in ihren schulischen Leistungen beeinflusse, und „gefährde den inneren Frieden“. Seine Stellungnahme klingt fast wie eine Drohung.

 

Auch die Türkisch Islamische Union, ein von Ankara gesteuerter Moscheeverband mit Sitz in Köln, hält auf ihrer Website fest, dass „die beharrliche Oktroyierung des Begriffes ‘Völkermord’ in Form einer einseitigen Schuldzuweisung weder zutreffend ist, noch irgendjemandem einen Nutzen bringen wird.“ Das Eingeständnis, dass es bei Deportationen von Armeniern zu „traurigen Ereignissen“ kam, sollte uns nicht beruhigen. Auch die NPD gesteht ein, dass es „Umsiedlungen“ von Juden während des Zweiten Weltkriegs gab, streitet aber die Existenz von Vernichtungslagern ab.

 

Die Türkei muss sich hinter deutschen Rechtsextremen wahrlich nicht verstecken. Nach dem Erdbeben 1999 mit zehntausenden Verletzten war die Türkei dringend auf Blutkonserven angewiesen, da die eigenen Reserven schnell erschöpft waren. Gesundheitsminister Osman Durmuş lehnte das Hilfsangebot des griechischen Nachbarn allerdings ab. Das türkische Blut müsse rein bleiben. Die CHP-Politikerin Canan Arıtman (also eine Sozialdemokratin) forderte 2008 den türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül dazu auf, per Gentest Zweifel auszuräumen, armenische Vorfahren zu haben. Der gedankliche Schritt zum Ariernachweis ist nicht weit. 2010 stellte ein Gesetzesentwurf künstliche Befruchtungen türkischer Frauen im Ausland unter Strafe – es gelte, die „Abstammungslinien des Landes“ zu schützen.

 

Wer sich so positioniert, muss nicht lange auf Lob warten. Erdoğans Auftritt 2008 in Köln, wo er an an den Nationalstolz seines türkischen Publikums appelierte, wurde von der Jungen Freiheit freundlich aufgenommen. Chefredakteur Dieter Stein kommentierte den „Auftritt eines Führers“:

ein „vor Selbstbewußtsein platzendes Türkentum“ erwarte er gleichermaßen von der deutschen politischen Klasse, der es an „Religiosität, Nationalstolz, Machtbewußtsein“ mangele.

Durch ihre verfehlte Flüchtlingspolitik hat sich Kanzlerin Merkel in eine Lage manövriert, in der Erdoğan als Verhandlungspartner unverzichtbar geworden ist.

Von Lukas Mihr

„Die Moscheen sind unsere Kasernen“

.
Gruß Hubert

Montag, 25. April 2016

Historiker Heinisch: “Die Schule sollte ein kopftuchfreier Raum sein”



.

Ein gutes Interview mit dem Historiker Heinisch über die Probleme mit dem Islam, wie ich finde.

.

Heiko Heinisch über das Problem mit dem Islam, paternalistische Linke und Mobbing gegen Mädchen ohne Kopftuch


STANDARD: Sie haben in einem Artikel für das Magazin “The European” geschrieben: “Wir haben ein Problem mit dem Islam. Wir alle, die wir in freien und offenen Gesellschaften leben wollen, unabhängig von unserer Religion oder Weltanschauung.” Was ist das Problem?

 

Heiko Heinisch: In den islamischen Gesellschaften beobachten wir seit knapp 40 Jahren einen Vormarsch islamistischer Kräfte, die eine Umgestaltung der Gesellschaft nach islamischen Kriterien, also so etwas wie einen islamischen Staat, durchsetzen wollen. Den Startschuss gab die Revolution im Iran, die auch auf die mehrheitlich sunnitischen Länder wirkte. Vor allem Saudi-Arabien finanziert weltweit islamistische Propaganda, aber auch Katar und die Türkei unter Erdogan propagieren einen politisierten Islam, der sich in den letzten Jahrzehnten zum Mainstream entwickelt hat. Das färbt selbstverständlich auch auf die islamischen Verbände in Europa ab, die überwiegend ebenfalls einen politisierten Islam repräsentieren – das ist unser Problem.

 

STANDARD: Was ist dagegen zu tun?

 

Heinisch: Zunächst sollte man dem Islamismus genauso begegnen wie anderen radikalen politischen Ideologien und ihn nicht unter dem Oberbegriff Religion quasi unter den Schutz der Religionsfreiheit stellen. Man muss klar sagen, ja, Religionsfreiheit besteht, Gläubige können bei uns ihre Religion frei ausleben, aber der Ideologie und den damit verknüpften politischen Ansprüchen müssen wir etwas entgegenstellen und gleichzeitig die Kräfte stärken, die für liberalere Ausprägungen der Religion eintreten.

 

STANDARD: Sie haben mit Nina Scholz das Buch “Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?” verfasst. Ist es ein Kulturkampf?

 

Heinisch: Ja, ein Kulturkampf, der auch in Europa ausgetragen wird, aber eben kein Kampf zwischen dem Westen und dem Islam, sondern ein Kampf zwischen denen, die für freie Gesellschaften und die Werte der Aufklärung eintreten, und jenen, die totalitäre Systeme wollen, ob, wie die Islamisten, unter religiösem Vorzeichen oder unter nationalem, wie die diversen rechtspopulistischen Parteien, die ebenfalls keine freie Gesellschaft zum Ziel haben.

 

STANDARD: Sind der Islam und Demokratie vereinbar?

 

Heinisch: Das halte ich prinzipiell für genauso möglich wie beim Christentum. Es gibt diesen Irrglauben, der Islam habe keine Aufklärung durchgemacht. Das Christentum hat auch keine Aufklärung durchgemacht, sondern die europäischen Gesellschaften. Auf diesem Weg wurden die kirchlichen Autoritäten quasi gezwungen, das nachzuvollziehen. So gesehen brauchen die islamischen Gesellschaften eine Aufklärung und nicht der Islam.

 

STANDARD: Wer soll die islamischen Gesellschaften aufklären?

 

Heinisch: Liberale Denker und Gruppen, die es auch in der islamischen Welt gibt, die aber zurzeit leider auf recht verlorenem Posten stehen. Umso wichtiger ist es, diesen Kräften in Europa mehr Freiraum zu schaffen, weil sie nur hier die Freiheit finden, um ihre Theorien ausbreiten und diskutieren zu können. Stattdessen passiert dann häufig das, was dem Algerier Kamel Daoud in Frankreich gerade passiert ist: Er muss sich von linken Intellektuellen einen Shitstorm gefallen lassen, weil er seine eigene Gesellschaft kritisiert hat.

 

STANDARD: Würden Sie sagen, linke Intellektuelle in Europa haben in der Auseinandersetzung mit dem Islam ein blindes Auge und wollen bestimmte Dinge nicht sehen? 

 

Heinisch: Große Teile der Linken, ja. Die sehen nur die unterdrückte Minderheit vor sich und nicht einzelne freie Bürger, und sie glauben immer, sie müssen diese Gruppe beschützen. Das ist ein paternalistischer Blick auf die anderen. Sie erklären sich zur Schutzmacht der Muslime in Europa und verteidigen dabei zum Teil eben auch Gruppen und Ideologien, die ihnen ansonsten sehr fernstehen müssten, was ihnen aber offensichtlich nicht mehr auffällt.

 

STANDARD: Was leiten Sie vor diesem Hintergrund ab für den Umgang mit den Flüchtlingen?

 

Heinisch: Wir müssen vieles anders machen als in den letzten 50 Jahren. Da herrschte in ganz Europa – in einigen Staaten mehr, in anderen weniger – so etwas wie Laissez-faire. Zwar wurde die multikulturelle Gesellschaft bejubelt, aber man hatte kein wirkliches Interesse an den anderen, man hat sie nicht wirklich als Mitglieder der Gesellschaft betrachtet. In Belgien etwa leben viele Einwanderer in “ihrem” Stadtviertel und konnten dort weitgehend tun, was sie wollten. Die lassen “uns” in Ruhe, “wir” “sie”. Dahinter verbirgt sich ein Denken in Kollektiven: Wir und Die. Wir müssen anfangen, uns alle als eine Gesellschaft zu begreifen und Probleme in bestimmten Gruppen als gesamtgesellschaftliche Probleme wahrnehmen.

 

STANDARD: Was dürfen oder müssen wir Flüchtlingen abverlangen?

 

Heinisch: Wir müssen ihnen sagen, was bei uns möglich ist und was nicht. Wir müssen ihnen unsere Gesellschaft erklären und die Werte vermitteln, auf denen sie basiert – und ihnen dabei auch immer mitvermitteln, welche Vorteile sie selbst davon haben, etwa dass sie hier Sachen machen können, für die sie wahrscheinlich in ihrer Heimat verfolgt worden wären.

 

STANDARD: Also ihnen auch vermitteln, dass sie auf bestimmte Dinge, die sie aus ihrer Heimat oder Religion mitbringen, verzichten müssen, wenn sie hier leben wollen?

 

Heinisch: Ja, das müssen wir. Es gibt Dinge, die sie hier so nicht leben können wie in ihrer Heimat.

 

STANDARD: Zum Beispiel?

 

Heinisch: Das fängt an bei den sogenannten arrangierten Ehen, die zum Großteil Zwangsehen sind. In Europa hat eine junge Frau das Recht, nicht zu heiraten, wenn sie nicht will, und sie hat das Recht, ihren Partner auszusuchen, und zwar unabhängig davon, ob sie in eine muslimische Familie geboren wurde oder in eine andere. An diesem Punkt spießen sich einem Kollektiv zugestandene Rechte mit den individuellen Freiheitsrechten: Wenn ich dem Kollektiv “arrangierte Ehen” zugestehe, dann entziehe ich den Mitgliedern dieses Kollektivs Freiheitsrechte.

 

STANDARD: Apropos Werte. Die Regierung setzt auf achtstündige “Wertekurse”. Genügt das?

 

Heinisch: Das ist ein Einstieg. Es sollte aber ein dauerhaftes Projekt für jeden Flüchtling sein. Mir stellt sich etwa die Frage, warum die Deutschkurse nicht dazu genutzt werden, gleichzeitig Werte und das Leben in unserer Gesellschaft zu vermitteln? Noch besser wäre ein System wie in Kanada, wo Neueinwanderer einen “Integrationslotsen” bekommen, der ihnen das alltägliche Leben erklärt. Da geht’s oft um Kleinigkeiten, etwa wie löse ich ein Ticket am Fahrscheinautomaten? Aber auch um Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche, beim Spracherwerb und eben auch um das Vermitteln des Rechts- und Wertesystems. Über ein Jahr hinweg werden die Neueinwanderer in die Gesellschaft eingeführt.

 

STANDARD: Sie schreiben auch über das Kopftuch: Wie stehen Sie dazu?

 

Heinisch: Prinzipiell hat eine Frau natürlich ein Recht, ein Kopftuch zu tragen, so wie sie das Recht hat, sich einen Irokesenschnitt zu schneiden. Ich halte allerdings nichts davon zu sagen, das Kopftuch sei nur ein Modeaccessoire oder bloßes religiöses Symbol. Es wird von politischen islamischen Organisationen als politisches Symbol benutzt.

Bei Kindern in der Schule und noch mehr im Kindergarten habe ich ein ernsthaftes Problem damit, denn ich kenne mittlerweile nicht nur aus Berlin, sondern auch aus Wien Beispiele, dass es muslimischen Mädchen an manchen Schulen schon fast nicht mehr möglich ist, ohne Kopftuch zu kommen, weil sie dann gemobbt werden. Da müssen wir eine Grenze ziehen und die schützen, die zum Kopftuch gezwungen werden, eventuell auch dadurch, dass wir in gewissen Räumen die anderen dazu zwingen, kein Kopftuch zu tragen.

 

STANDARD: Würden Sie im Kindergarten und in der Volksschule also für ein Kopftuchverbot plädieren?

 

Heinisch: Ja. Die Schule sollte ein kopftuchfreier Raum sein. Zumindest für die Schülerinnen würde ich aus einem einfachen Grund für ein Verbot eintreten: Es mag sehr viele Mädchen geben, die freiwillig ein Kopftuch tragen, aber es gibt wahrscheinlich mehr, die es nicht freiwillig tragen. Von denen hören wir nur weniger, weil sie in den Medien nicht vorkommen, schlicht und einfach weil ein Mädchen, das zum Kopftuchtragen gezwungen wird, einer Zeitung kaum ein Interview geben kann. Um diese Mädchen zu schützen, gibt es nur eine Möglichkeit: kein Kopftuch in der Schule. Dann haben Mädchen die Möglichkeit, das Leben auch einmal ohne Kopftuch wahrzunehmen – zumindest in diesem geschützten Raum.

 

(Lisa Nimmervoll, 17.4.2016)

Heiko Heinisch (geb. 1966 in Offenbach am Main) ist Historiker und befasst sich vor allem mit Freiheit, Menschenrechten und Demokratie. Jüngste Publikation mit Nina Scholz: “Charlie versus Mohammed. Plädoyer für die Meinungsfreiheit” (Passagen-Verlag 2016). Er schreibt regelmäßig für das Online-Debattenmagazin diekolumnisten.de. Am Donnerstag, 21. April spricht er ab 19 Uhr im Zoom-Kindermuseum bei den von Zoom und STANDARD organisierten Zoom Lectures zum Generalthema “Kindheit heute” mit Andrea Walach, Direktorin der NMS Gassergasse, über Erziehung und Werte. – derstandard.at/2000034954194/Heiko-Heinisch-Die-Schule-sollte-ein-kopftuchfreier-Raum-sein

.

Historiker Heinisch: “Die Schule sollte ein kopftuchfreier Raum sein”

.

Gruß Hubert

Samstag, 2. April 2016

Erdogan und die NDR-Satire


.

Ich kann über diesen Erdogan nur noch den Kopf schütteln. Er scheint jede Bodenhaftung verloren zu haben. Die Türkei ist offiziell noch eine Demokratie, de facto ist sie unter Erdogan zur Diktatur mutiert. Von Pressefreiheit hält er nichts und Satire ist für ihn, (jedenfalls wenn es ihn betrifft) Majestätsbeleidigung, oder Präsidentenbeleidigung, wie er das nennt. Einfach ekelhaft diese Selbstherrlichkeit dieses Mannes vom Bosporus.


Regierende Selbstherrlichkeit


Die harsche Reaktion des türkischen Präsidenten auf eine NDR-Satire zeugt von fehlender Größe – und zunehmender Selbstherrlichkeit, meint Reinhard Baumgarten. Mit wachsender Macht toleriert Erdogan immer weniger Kritik.
Von Reinhard Baumgarten, ARD-Studio Istanbul

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan möchte zu den großen Politikern der Welt gehören. Warum nicht? Man wächst mit seinen Ansprüchen und Herausforderungen. Wer aber zu den Großen gehören will, muss wissen, was die Großen darstellen. Der Umgang mit Kritik, Opposition, Satire und Ironie können Kriterien sein, an denen große Politiker gemessen werden.

Wie viel Häme und Spott müssen Angela Merkel, Barack Obama, David Cameron oder François Hollande einstecken? Sie stehen darüber, meistens jedenfalls. Sie erregen sich nicht öffentlich über Witze und spitze Bemerkungen. Sie geben sich diese Blöße nicht, weil sie die nötige politische Größe und Gelassenheit haben, um trotz beißender Kritik und ätzenden Spotts ernst genommen zu werden.

 

Anzeigen gegen Minderjährige

 

Mehr als 1800 Anzeigen sind in den vergangenen Monaten in der Türkei wegen Präsidentenbeleidigung erstattet worden – angezeigt wurden auch Minderjährige. Der Botschafter Deutschlands wird wegen eines Beitrags einbestellt, weil Erdogans Politik und Auftreten darin satirisch aufgespießt werden.

Satire darf alles, hat Kurt Tucholsky 1919 noch behauptet. Nein, Satire darf nach Holocaust, zahllosen Massenmorden und unaussprechlichen Verbrechen nicht mehr alles.

Aber eines darf Satire ganz sicher noch: zuspitzen und anprangern. Und hier beginnen die Probleme Erdogans mit Satire, die Ausdruck seines Politikverständnisses sind: Ein Präsident wird nicht verspottet, er darf nicht Zielscheibe von Witzen und Ironie sein.

 

Anspruch der Unantastbarkeit?

 

Ist es der Glaube an die eigene Unfehlbarkeit? (Anmerkung: also ein zweiter Papst). Ist es der Anspruch der Unantastbarkeit? Der türkische Präsident setzt mehr und mehr die Maßstäbe für das, was als richtig und falsch zu gelten hat in seinem Reich. Am Wochenende hat er sich mehrfach öffentlich darüber erregt, dass westliche Diplomaten einem Gerichtsverfahren beigewohnt haben. In dem Prozess geht es laut Anklage um Spionage. In dem Prozess, so die Botschaft der Diplomaten, geht es auch um Meinungs- und Pressefreiheit.

“Wer seid ihr? Was habt ihr dort zu suchen?”, fragt Erdogan bissig die Gesandten jener Staaten, in deren Mitte die Türkei aufgenommen werden möchte.

Deren schiere Präsenz ist die glasklare Antwort: Sie sind die Abgesandten gemeinsamer Werte und Vorstellungen. Europa spricht dieser Tage nicht oft mit einer Stimme. Im Gerichtssaal von Istanbul haben es die Botschafter der EU-Staaten getan – immerhin. Eine Geste gegenüber regierender Selbstherrlichkeit.


Erdogan und die NDR-Satire


rdft8yqre7b

Song: Erdowie, Erdowo, Erdogan | extra 3 | NDR 

.


.
.

Der «Boss vom Bosporus» versteht keinen Spaß

.

Was in Deutschland als ganz normale Satire gilt, kann in der Türkei auch schon mal als Majestätsbeleidigung aufgefasst werden. Die türkische Regierung fand einen «extra 3»-Clip, jedenfalls gar nicht witzig und bestellte den deutschen Botschafter ein.

.
cevt20zweaaf0ml

Erdogan’s dicker Hals

cevt20zweaaf0ml2


Auszug aus Politik24.de

 

Es ist ja schließlich keine Kleinigkeit, wenn ein autokratischer Staatschef, wie aktuell gerade geschehen, in die deutsche Verfassungslage derart eingreift, dass er eine wirklich harmlose Satiresendung über sich selber, es ging um ein knapp 2minütiges Filmchen des NDR ( Extra3), das am 17. März in der ARD ausgestrahlt wurde, mit der ihm zu Gebote stehenden staatlichen Gewalt angreift und wie einen diplomatischen Gau zwischen zwei Ländern verfolgen will. Immerhin: Erdogan hatte den deutschen Botschafter am letzten Dienstag förmlich ins Außenministerium vorgeladen und verlangt quasi von Deutschland eine offizielle Entschuldigung und natürlich das modern gewordene Löschen des Satireclips.

[…]

Erdogan hat sich jetzt allerdings zu einem der größten Satiriker der Neuzeit gemausert und das ging so:

Er hatte persönlich Strafanzeige gegen zwei Journalisten seiner Türkei wegen Hochverrats und Unterstützung von Terrorgruppen erstattet. Am vergangenen Freitag war nun Prozessbeginn. Wie es nun in Demokratie und in Rechtsstaaten, auch der Möchtegernkategorie üblich ist, sind Gerichtsverhandlungen regelmäßig öffentlich und so war es kaum verwunderlich, dass unter den Zuschauern auch Diplomaten einiger EU-Staaten saßen, unter anderem der deutsche Botschafter Martin Erdmann als Beobachter eines Verfahrens, in dem es just um Meinungs-und Pressefreiheit ging.


Und jetzt kommt der Satiriker Erdogan: Er reagierte aggressiv auf das Auftauchen der Diplomaten beim Prozessauftakt gegen die türkischen Journalisten, die seine Regierung kritisierten und motzte öffentlich, dass ausländische Diplomaten in einem türkischen Gericht nichts zu suchen hätten, die Türkei sei nicht ihr Land, sondern sein, Erdogans Land.

 

Gleichzeitig tönte er, dass eine Erdogan-Satire in Deutschland, ausgestrahlt von Extra 3 im NDR, gleichsam eine diplomatische Kriegserklärung an ihn oder die Türkei wäre. Er ließ den deutschen Botschafter förmlich einbestellen, der sich gegenüber dem türkischen Außenministerium für eine deutsche Satire zu erklären, einzulassen, zu entschuldigen oder sonst was hätte, obwohl auch Erdogan als Deutschlandkenner weiß, dass die deutsche Regierung keinerlei Hoheitsrechte in Bezug auf privat geäußerte Satire besitzt, also völlig unzuständig für Satire ist.

Statt dass der deutsche Botschafter das türkische Außenministerium gleich wieder verlassen hat, soll er sich mit den türkischen Stellen lange über die besagte NDR3-Satire auseinandergesetzt haben. Wahrscheinlich ging es um Beschwichtigung, Besänftigung und eine Ausweitung der Visafreiheit, die Erdogan Merkel vor kurzem mit dem Deal „Gib mir einen Syrer, ich geb Dir dann einen Syrer zurück“ schon rausgeleiert hatte.

 

Dass der deutsche Botschafter sich nicht traute, Erdogan mit Rückendeckung seiner deutschen Regierung  in die Schranken zu weisen und zu sagen, das ist Satire in meinem Land, das geht Sie nun mal gar nichts an und das ist Presse-und Kunstfreiheit bei uns, offenbart die europäische Realität:

Kritik an der Regierung, das war im Westen und auch in Deutschland, mindestens bis zum Auftauchen der Merkel-Gabriel-GroKo, die höchste journalistische Disziplin, die Erdogan nach allem, was man hört, noch nie liebte. Im Umgang mit der Türkei gilt jedoch schon lange: Keine Haltung, keine Würde, keine Vernunft und keine Realität im Umgang mit der Erdogan-Türkei.

 

Noch absurder ist nur die deutsche Türkeipolitik

 

Erdogan regiert kräftig in die Bundesrepublik hinein, auf vielfältige Weise und auf vielen Ebenen, durchaus auch auf religiösen Pfaden und er hält riesige Wahlveranstaltungen mit seinen Landsleuten, die auch einen deutschen Pass haben, in der Bundesrepublik ab. Und dies mit voller Unterstützung der GroKo und des politisch veröffentlichten Mainstreams. 

Erdogan hat sehr viel Porzellan zerschlagen müssen, bevor die deutschen Medien von ihrem Erdogantrip etwas abließen und ein wenig kritisch gegenüber Erdogan geworden sind.


In dem satirischen Extra3-Song geht es um den selbstherrlichen „Boss vom Bosporus“, der so selbstverständlich ganz und gar andere Maßstäbe an Andere anlegt, als er sie für sich selber reklamiert. „Ein Journalist, der was verfasst, das Erdogan nicht passt ist morgen schon im Knast“, heißt es in dem Song und mit Filmausschnitten von Merkel unterlegt, die ihm bei ihrem letzten Besuch in der Türkei vor feudaler Kulisse im Beisein der Journalisten lächelnd die Hand schüttelt, heißt es in dem Song: „Sei schön charmant, denn er hat dich in der Hand, erdowie, erdowo, erdogan“…

 

Zur Frauenpolitik heißt es, während Bilder einer Demonstration gezeigt werden, auf der türkische Polizisten auf Demonstrantinnen am Weltfrauentag eindreschen; „Gleiche Rechte für die Frauen, die werden auch verhauen“. Und auch die Kurden werden erwähnt: „Kurden hasst er wie die Pest, die bombardiert er auch viel lieber als die Glaubensbrüder drüben beim IS“. Und wie es in dem Song so schön heißt: „Die Zeit ist reif für sein großosmanisches Reich, erdowie, erdowo, erdowan“.

Alles Satire, alles Realität und Realität ist auch, dass die GroKo gegenüber Erdogan routinemäßig duckmäusert und dies auch im Angesicht des massiven Erdogan’schen Angriffs auf diese deutsche, auf diese europäische Satire, die das thematisiert, was die GroKo zu thematisieren unterlässt oder gar schön redet. Und Steinmeier, hat der soviel Diplomatie gefressen, dass er unter normalen Umständen platzen müsste? Der schwafelt wieder von der strategisch und auch sonst so wichtigen Türkei, obwohl objektiv feststeht, dass Europa und der Westen die Türkei für gar nichts brauchen, aber Erdogan den Westen für seine antiwestliche Politik sehr wohl braucht.

Mit dieser satirischen Einlage Erdogans hat er selber zum xten Mal vorgeführt, wie europauntauglich und im wahrsten Sinne des Wortes europafeindlich er ist. Eine angesichts der großen Politik lächerlich kleine Satire, die aber offenkundig den Nerv trifft, zu einem diplomatischen Akt zu machen, ist absurd. Noch absurder ist nur die deutsche Türkeipolitik.

Hier weiterlesen:

http://www.politik24.de/erdogan-der-boss-vom-bosporus/2016/03/


Die Redaktion von «extra 3» ließ sich nicht einschüchtern. Auf ihrer Twitter-Seite wurde nach der Einbestellung des Botschafters ein Foto von Erdogan mit der Aufschrift: «Mitarbeiter des Monats» versehen.

So viel Freiheit können sich Journalisten in der Türkei kaum noch ungestraft leisten. Vergangenes Jahr wurden zwei Zeichner der Satire-Zeitschrift «Penguen» wegen Beleidigung Erdogans zu Geldstrafen verurteilt. Sie sind bei weitem nicht die einzigen, gegen die solche Anschuldigungen erhoben werden.

Nach Angaben des Justizministeriums wurden seit Erdogans Wahl zum Staatspräsidenten im August 2014 mehr als 1800 Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung eröffnet.

“extra 3” Video

https://de.nachrichten.yahoo.com/der-boss-vom-bosporus-versteht-keinen-spa%C3%9F-154318010.html

.
Siehe auch:

https://www.ndr.de/nachrichten/Erdogan-Satire-Botschafter-betont-Pressefreiheit,erdogan182.html

.

Hier noch ein früheres Video vom NDR extra-3

Ein Lied für Erdogan | extra 3 | NDR 

.

.
Gruß Hubert