.
Es ist wichtig zu wissen, dass es auch die
Funktion des "Agent Provocateur" gibt, die bestimmte Demonstrationen in
einem negativen Licht erscheinen lassen. Unliebsame Protestbekundungen
können so für die daheimgebliebene Mehrheitsbevölkerung schnell als
“gewalttätig” abgestempelt werden, ohne dass eine weitreichende
inhaltliche Diskussion stattfindet.
V-Leute schüren Gewalt auf Demonstrationen – Das Prinzip Agent Provocateur
CC-BY-NC-ND FOTOMOVIMIENTO
Wer bestreitet, dass Demonstrationen in der Bundesrepublik
nicht nur aufgrund der Gewalt der Demonstranten eskalieren, kommt
spätestens seit den sogenannten “Blockupy” Protesten vor einigen Wochen
schnell in Verdacht, Gewalt aufgrund deren Zielsetzung relativieren zu
wollen. Schuld seien ja immer die Anderen wenn es nach dir geht, heißt
es dann. Dass die Proteste einiger Linksradikaler in Frankfurt zur
EZB-Eröffnung freilich kein friedlicher ziviler Ungehorsam war, sollte
jedem klar sein. Dennoch zeigen die Enthüllungen rund um den
NSU-Skandal: V-Leute der Geheimdienste und der Polizei, die sich unter
Protestgruppen mischen um dort zu provozieren, sind keine
Verschwörungstheorie, sondern Realität. Das Prinzip Agent Provocateur.
Am Montag behauptete der Chef der Linksfraktion im Bundestag Gregor
Gysi im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur, dass V-Männer und
-Frauen gezielt Gewalt auf Demonstrationen schüren würden.
“Ich
bin kein Verschwörungstheoretiker, aber ich habe immer den Eindruck,
dass bestimmte V-Leute geradezu zur Gewalt animieren, um das politische
Anliegen totzumachen”, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. “Denn dann
diskutieren wir hinterher bloß noch über die Gewalt – und nicht mehr
über das eigentliche Anliegen.” Man müsse
herausbekommen, wer genau auf Demonstrationen Gewalt anwende. Parteichef
Bernd Riexinger teilt den Verdacht Gysis. “Zum Teil gibt es ja auch
Beweise dafür, dass es Provokateure auf dieser Seite gibt”, sagte er.
V-Leute
sind Verbindungs- oder Vertrauenspersonen der Geheimdienste oder der
Polizei, die Informationen aus extremistischen oder kriminellen Kreisen
liefern. Die Spitzel werden dafür zumeist von staatlichen Stellen
bezahlt.
Was wie eine wirre Behauptung klingen mag, die die Gewalt bei
Protesten gegen die Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main
relativeren will, hat einen faktischen Hintergrund. Als Agent
Provocateur werden solche provozierenden Staatsdiener bezeichnet, die
üblicherweise im Auftrag des Staates einen oder mehrere Dritte zu einer
gesetzeswidrigen Handlung provozieren sollen.
Im
weiteren Sinne wird damit auch ein Handeln bezeichnet, das durch die
gezielte Vortäuschung oder auch Provokation einer ruchbaren Handlung die
Stärkung der eigenen Position und die Legitimation für einen Eingriff
anstrebt. Wegen der Gefahr, dass der Staat sich auf
diese Weise zumindest indirekt als Gesetzesbrecher betätigt und Taten
provoziert, die ohne den Agenten gar nicht begangen worden wären, ist
der Einsatz solcher Agenten in Demokratien eigentlich gesetzlich oder
durch höchstrichterliche Rechtsprechung streng reglementiert.
Es
sind Fälle bekannt, auch in Deutschland, bei denen solche Agenten
rechtswidrig eingesetzt wurden, etwa zur verdeckten Störung von sozialen
Bewegungen und der gewalttätigen Eskalation von Demonstrationen.
So zum Beispiel Peter Urbach. Er war ein V-Mann des Berliner
Verfassungsschutzes, lieferte Ende der 1960er Jahre Bomben und Waffen an
Personen aus der Berliner Studentenbewegung, die später zu den
Gründungsmitgliedern der Rote Armee Fraktion gehörten.
Urbach
wurde vor allem durch seinen Einsatz bei einer Demonstration vor dem
Gebäude des Springer-Konzerns am 11. April 1968 bekannt, die als
Reaktion auf das Attentat auf Rudi Dutschke stattfand. Er versorgte die
Demonstranten aus einem großen Weidenkorb mit etwa einem Dutzend
zündfertiger Molotowcocktails. Dies führte mit zur gewalttätigen
Eskalation der Demonstration und zum Abbrennen mehrerer Lieferwagen
des Verlags. Die Ereignisse wurden als Osterunruhen bekannt und zählen
bis heute zu den schwersten Ausschreitungen in der Geschichte der
Bundesrepublik.
[...]
Bei den Protesten am 6. Juni 2007 gegen den
G8-Gipfel
in Heiligendamm bei Rostock hat die Polizei als Schwarzer Block
verkleidete Polizeibeamte in eine Demonstration geschleust. Nachdem
andere Demonstranten misstrauisch wurden, haben sich drei der Beamten
hinter die Polizeireihen zurückgezogen, dem Vierten wurde die Vermummung
heruntergezogen und er wurde als Mitglied einer Bremer
Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit erkannt. Allein die Anwesenheit dieser verkleideten Polizeibeamten ist gesetzwidrig,
da sich nach § 18 bzw. § 12 des bundesdeutschen Versammlungsgesetzes
Polizeibeamte, die auf Demonstrationen entsandt wurden, der
Demonstrationsleitung zu erkennen geben müssen.
Immer wieder gibt es Diskussionen über von der Polizei zur
Eskalation von Demonstrationen eingeschleuste Agents Provocateurs, wie
z. B. bei den
Demonstrationen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, möglicherweise gegen Stuttgart 21 oder bei den Blockupy-Protesten. In einem Interview äußerte ein anonym bleiben wollender Polizist:
„Ich weiß,
dass wir bei brisanten Großdemos verdeckt agierende Beamte, die als
taktische Provokateure, als vermummte Steinewerfer fungieren, unter die
Demonstranten schleusen. Sie werfen auf Befehl Steine oder Flaschen in
Richtung der Polizei, damit die dann mit der Räumung beginnen kann.“
Praktisch ist
der Einsatz solcher Agent Provocateur nicht nur für die Polizei. Auch
die Politik kann daraus Vorteile ziehen. Unliebsame Protestbekundungen
können so für die daheimgebliebene Mehrheitsbevölkerung schnell als
“gewalttätig” abgestempelt werden, ohne dass eine weitreichende
inhaltliche Diskussion stattfindet.
Das Prinzip Agent Provocateur
Gruß Hubert