Montag, 4. Oktober 2010

Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse

Es wird immer deutlicher, dass Prekarität heutzutage allgegenwärtig ist. Im privaten, aber auch im öffentlichen Sektor, wo sich die Zahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse und Teilzeitstellen verfielfacht hat.
Ein Beschäftigter gilt als prekär, wenn er selbst bei Vollzeitarbeit nicht eigenständig von dem erzielten Einkommen leben kann.
Als Prekarität am Arbeitsmarkt wird die verringerte soziale Sicherheit von Beschäftigten durch systematisch leicht und kurzfristig lösbare Beschäftigungsverhältnisse bezeichnet.
Als Beispiele für prekäre Arbeitsbeziehungen und somit Erscheinungsbild/Folgen der Prekarisierung werden unter anderem genannt:
Scheinselbständigkeit, Ich-AG, Schwarzarbeit, Working Poor, Arbeitnehmerüberlassung, Minijob, Ein-Euro-Job, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Generation Praktikum.

Etwa seit Mitte der 1980er Jahre hat sich eine ganz andere Leitvorstellung im gesellschaftlichen Leben breit gemacht. Die neoliberalen Lehrsätze verlangen Niedriglöhne und allzeitige Verfügbarkeit von Arbeitnehmern. Weltmarktfähigkeit durchaus auf Kosten einer gesicherten Existenz hat sich als Motiv politischen und wirtschaftlichen Handelns durchgesetzt. Soziale Polarisierung wird als „neue Gerechtigkeit“ akzeptiert und gefördert.

Die Prekarität hat also nicht nur direkte Auswirkungen auf die von ihr Betroffenen (die dadurch außerstande geraten, sich zu mobilisieren), sondern über die von ihr ausgelöste Furcht auch indirekte Folgen für alle anderen – eine Furcht, die im Rahmen von Prekarisierungsstrategien systematisch ausgenutzt wird, wie etwa im Falle der Einführung der vielzitierten »Flexibilität«, von der wir ja wissen, dass sie ebenso politisch wie ökonomisch motiviert ist.

Prekarität hat bei dem, der sie erleidet, tiefgreifende Auswirkungen.
Sie verwehrt den Betroffenen ein Mindestmaß an Glauben und Hoffnung an die Zukunft, dass für eine vor allem kollektive Auflehnung gegen eine noch so unerträgliche Gegenwart notwendig ist.
Unter solchen Bedingungen wird es schwer für die Betroffenen einen aufrechten Gang, Würde, Selbstwert zu bewahren und der Entfremdung zu widerstehen.

All diese Dinge klammern die orthodoxen Ökonomen a priori aus ihren abstrakten
Berechnungen aus und überlassen die destruktiven sozialen und psychischen Schäden dem Staat.
Die Arbeitnehmer sind auf Gedeih und Verderb den Arbeitgebern ausliefert, welche dann auch die ihnen auf diese Weise gegebene Macht, wie man täglich sehen kann, gebührlich
gebrauchen bzw. missbrauchen.

Ostdeutschland wurde zum Experimentierfeld deregulierter Arbeitsverhältnisse.

Der Arbeitnehmer muss diese unwürdigen Arbeitsverhältnisse mitunter um jeden Preis, gegen die Erpressung mit der angedrohten Entlassung hinnehmen. So kommt es häufig vor, dass Arbeiter aber auch öffentlich Bedienstete unbezahlte Arbeit leisten, weil sie z.B. das Arbeitspensum unmöglich in der vorgegebenen Zeit leisten können. Das gibt es nicht nur in anderen Ländern sondern auch bei uns hier in Südtirol, der angeblichen Insel der Seligen.
Dazu kommt eine immer größere Zahl von Leiharbeitern. Regulär angestellte Arbeiter werden oft entlassen und als Leiharbeiter wieder angestellt. Die Bedingungen des Arbeitsverhältnisses haben sich aber katastrophal verschlechtert. Für die gleiche Arbeit erhalten sie wesentlich weniger Lohn. Außerdem sind sie die ersten die gefeuert werden, wenn die Auftragslage schlechter wird. Gezahlt wird bei prekären Arbeitsverhältnis oft auch nicht nach Stundenlohn, sondern nach Menge, zum Beispiel bekommt ein Zimmermädchen pro gemachtes Zimmer 2,60 Euro. Berechnet wird nur die die Anzahl der Zimmer, die sie gemacht hat, ohne notwendige Zusatzarbeiten zu berücksichtigen. So müssen in der Regel beträchtlich mehr Arbeitsstunden geleistet werden, als vorgesehen wären.

Das führt zu einem regelrechten Kampf aller gegen alle, der sämtliche Werte der Solidarität und Menschlichkeit zunichte macht.

Diejenigen, die sich über den angeblichen Zynismus, den ihrer Meinung nach Männer und Frauen unserer Zeit an den Tag legen, beklagen, sollten zumindest auch den Zusammenhang mit den ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen sehen.

Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Prekarisierung
http://www.prekarisierung.de/tolleseite/TEXTE/prekabourdieu.htm
(Prekarität ist überall - Pierre Bourdieu)
http://www.wiki-gute-arbeit.de/index.php/Prek%C3%A4re_Arbeit

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